Laufbericht

3,8°C als ich mich auf den Weg mache. Das enge Lauftop unter dem dünnen Hemd und dem etwas dickeren Hemd darüber.

Es „läuft“, nur die Blase meldet bereits wieder nach 1km Entleerungswünsche.

Für gewöhnlich laufe ich die ersten 2km durch, um anschließend den Lauf zu portionieren. Doch die Blase lässt es nicht zu, muss die nächsten 2,2km durchrennen, nur noch das Kirchenklo im Sinn.

Die Sonne scheint, es ist warm, muss die Ärmel hochkrempeln.

Bin froh darüber, dass die Schwäche im linken Bein heute nicht sogleich vorhanden ist.

Auch noch nicht, als ich nach dem Klogang Jennersdorf verlasse, wo ich eine meiner drei Schichten verliere.

Auch noch nicht nach 6km.

Pause. Eine Pause, die weder für Regeneration sorgt noch gut tut, sondern mir das Genick bricht.

Danach nimmt das Elend „seinen Lauf.“

Neue Strecke und keine Ahnung, wie die Wege sich gestalten werden.

Bin gezwungen meine Portionen auf 4min zu reduzieren.

Als ich auf Weichselbaum zulaufe, begegnet mir ein anderer Läufer.

Wieder schnaufend, mit rotem Gesicht.

Hab ich nicht nötig und meine Probleme doch noch gravierender.

 

 

Nach kurzem laufe ich zwar immer noch 4min durch bis zur nächsten 2 –Minutenpause, doch nach 2 Minuten ist es schon beinahe unmöglich die restlichen 2 auch noch laufend zu bezwingen.

Wer es nicht kennt, kann sich nicht vorstellen zu was für einer Qual das Vorhaben, ein gelähmtes Bein zu bewegen, mutieren kann.
Und ja, es ist eine Qual, ich quäle mich, weil ich das allem Anschein nach brauche.

Schon lange keine einfache Schwäche mehr.

Irgendwann beginnt auch der Fuß sich einfach leblos querzustellen.

Nonstop über den Boden ratschen, eindrucksvoll das Geräusch des Schotters unter meinen Schuhen und eindrucksvoll, wie dieser zur Seite fliegt.

Und nun auch noch über meinen linken Fuß stolpern, der immer wieder hinter der Ferse des rechten hängen bleibt und mich böse straucheln lässt.

Eine Qual, das Bein zu bewegen und eine Qual zu wissen, nicht mal die Hälfte der Strecke hinter mich gebracht zu haben.

Beginne zu zweifeln, zu hadern.

Starre immer wieder auf die Uhr, doch die gelaufene Zeit will einfach nicht mehr werden.

Dann erspähe ich in einem der Orte eine Bank. Doch aus dem Laden davor tritt eine Frau in pinkfarbenem Jogginganzug mit Schlappen, hässlichem blonden Kurzhaarschnitt mit Dauerwelle und einer Fluppe im Mund. Ein Gesamtkunstwerk. Und sie baut sich vor der Bank auf und glotzt mich an.

Kann mich nicht hinsetzen, muss weiterlaufen.

Halte wieder und merke zu spät, dass ich vor einem Haus mit kläffenden Hunden stehe. Ehe mich jemand blöd anmacht, krieche ich förmlich auf allen Vieren weitere 100m über den Gehsteig, nur um aus Sichtweite dieser terroristischen Töle zu kommen.

Kämpfe mich weiter. Mal gibt es parallel einen Weg zur Straße, mal nicht. Mal asphaltiert, mal nur Schotter. Letzteres eine extra Zugabe, um mich noch mehr zu quälen.

Immer wieder halte ich und dann wenige Schritte nach dem erneuten Loslaufen erscheinen wie Fatahmorganas irgendwelche herrlichen und einlandenden Bänke vor mir. Doch nochmals halten? Nur wegen der Bank und dann noch wenn die letzte Pause erst eine halbe Minute her ist?

NEIN!

Weiter kämpfen, weiter quälen.

Dann endlich sehe ich die ungarische Grenze, den Wasserturm und die Kreuzung, an der ich abbiegen muss.

Und wieder eine Bank verpasst.
Der Weg neben der Straße hat eine Schräglage, links höher als rechts.

Der linke Fuß bleibt noch mehr am Boden kleben, pflügt noch stärker durch den Schotter.

Nichtsdestotrotz und wie auch immer: Laufe immer noch die 4min durch.

Dann endlich im letzten Ort vor meinem Ziel.

 

 

Dort die nächste, ich weiß nicht mehr wievielte Bank verpasst.

Hatte davor schon wieder gehalten und als würde man mich erwarten, setzte ganz in der Nähe Blasmusik ein.

Weiter, ich musste weiter.

Als ich eben an besagter Bank vorbeiziehe, kann ich mir ein Ächzen nicht verkneifen.

Noch eine Pause, wieder ein Hund im Garten und dessen dicker Besitzer, der mich anglotzt. Nein, nun reicht es. Ich bleibe stehen. Wenn der Hund kläfft, bin nicht ich es, die dafür zu sorgen hat, dass er wieder aufhört.

Raus aus Deutsch –Minihof, rein in Wallerndorf. Und wie bei Google –Maps beschrieben taucht in der Mitte die Bushaltestelle mit zwei Bänken auf.

Der Himmel auf Erden, als ich auf einer dieser zusammenbreche.

 

 

15,8km. Ich müsste noch irgendwo 200m hinzufügen. Egal wie.

Und keine Ahnung, wie lange Sebastian brauchen würde, um hier einzutreffen.

Bleibe sitzen. 2 Minuten. 3 Minuten.

Nach etwa 4min setze ich mich wieder in Bewegung, der Körper soweit erholt, um die nächsten 2min bezwingen zu können.

Doch dann taucht schon unser silberner Golf vor mir auf.

 

 

Mein Elend hat ein Ende.

Und immer noch am Kalkulieren, wie viele Kilometer ich noch zurücklegen muss, um 2700km zu erreichen.

Den 1. Januar werde ich definitiv pausieren!

Macht mir der erneute Abbau Angst?...

 

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