8. Oktober 2011, Samstag 8:50, Herzlich Willkommen...
in „Verlustangsthausen“!
Die Tabletten belieben soeben wieder in meiner Speiseröhre aufzuplatzen 8. Oktober 2011, Samstag 8:50, Herzlich Willkommen...
… in „Verlustangsthausen“!
Die Tabletten belieben soeben wieder in meiner Speiseröhre aufzuplatzen und für „Wohlfühlambiente“ zu sorgen. Einziger Trost: Die Sonne ist wieder da! Wenngleich die Temperaturen im Moment lediglich bei 3,9°C liegen und am Tiefpunkt sogar 1,1°C erreicht hatten.
Ungünstig: Mein Bruder hat nun den größten Teil meiner Laufhemden und -Pullis und ich muss mich fragen, ob das dünne Teil bei diesem Klima ausreichen wird,
Innehalten -die Stille absorbieren.
LIEBE Verdauung! Sei mir wohlgesonnen und tu das, was du am Besten kannst!
Bitte!!!
Gewicht: 60kg.
Nach einem Tag Stoffwechselstreik.
Schmerzen in den Füßen -kann man sich da auch so etwas wie eine Sehnenscheidenentzündung holen? Durch die Überbelastung? Fragen, Fragen, Fragen...
Hoffnungsvoll nach draußen blicken. Wäre es nur nicht bereits so spät. Und hätte ich bloß meiner Blase gehorcht.

Zack! Waren die Hände fertig.
Zack! Auch noch die Haare.
Zu Mittag Vollkornpfannkuchen mit Apfelmus und mir einreden, dass dies legitim sein.
NICHT schlafen.
Mit dem Kleid beginnen, mit weißer Farbe eine Falten -Landkarte anlegen und dann mit einem 1er -Pinsel mit dem Feinschliff beginnen.
Ein Stückchen hab ich geschafft, die Lichtbedingungen waren aber bei diesem Wetter auch nicht unbedingt die besten. Zumal die beiden Lampen im  Raum so bekloppt verteilt sind, dass ich am Tisch nichts davon habe.
Aufhören.
Mal eine Katze auf dem Schoß, dann alle beide.
HURRA!!! Die Verlustängste sind DAAA!!!
Die Katzen ansehen -sterben sehen -Tränen runterwürgen.
Sebastian beim Abendessen -sterben sehen -schweigend noch mehr Tränen schlucken. Er wunderte sich nur, warum ich plötzlich auf seine Fragen nicht mehr reagierte.
Und wenn wir schon dabei sind: Meine Eltern auch noch beerdigen!
Versagen die Tabletten?
Ist mir das Wetter auf den Kopf gefallen?
Der Herbstfluch, dem ich einfach nicht entkommen kann???
Ein Lauf würde mir wohl ungemein gut tun. Doch meine Verdauung rührt sich nicht.
Ich hatte darüber nachgedacht, und den Plan dann doch verworfen: Hätte ich bloß mal das Abführmittel geschluckt! Auf gut Glück losrennen und hoffen, dass „mein“ Kukuruzfeld noch an Ort und Stelle ist? Oder ich es gar bis zum Kirchenklo schaffe? Sebastian meinte letztens, warum ich mir das antue und nicht am Bahnhof die Toiletten nutzen, die wahrscheinlich besser aussehen, als die „heilige“ Variante.
Weil ich doof bin?
ZU feige?
Mir aus irgendeinem Grund BLÖD dabei vorkäme?
Würde da „Öffentliche Toiletten“ stehen... Aber das tut es nicht.

Sieh an, sieh an! Es wird kalt und die Grünfinken sind wieder da! Muss das Futter nachfüllen!
Und ein Eichelhäher!!!

Linksseitigen Kopfschmerz! Doch der scheiß Weisheitszahn ist nun ENDLICH nach 2 Jahren durchs Zahnfleisch durchgebrochen! Der LETZTE! Jahrelanges Zahnen. Und das soll besser sein als einmal Ziehen?
Einen halben Krug mit heißem Wasser.
Bitte, bitte, bitte!!!
Noch mehr Parästhesien in den Händen.
Sebastian schmeißt die Glotze an und verputzt die letzten Reste meiner „Cini Minis“.
Warten, hoffen und langsam abkotzen.
Unruhig.
Bis 4 zählen.
Nachts ebenfalls.
Mit den Fingern auf dem Bauch geklimpert: 1, 2, 3, 4, 1, 2,...
Wäre da nicht die Einfahrt! Wäre da nicht der Umstand, dass ich nicht den Weg zu unsrer alten Nachbarin laufen möchte -keine Lust, mir nochmals irgendwelche Vorwürfe anhören zu müssen. Zumal sie scheinbar ständig nach mir fragt und ich mich aber nicht um sie „kümmern kann“. Und wäre da eben nicht der beschissene Hohlweg...
Könnte ich auf dem Laufband laufen... DAS wäre das Nonplusultra! Meine Verdauung aufwecken und erst dann auf die Straße...
Wunschdenken.
SCHEISS FISCH!!!
Laufen um 12?
Gar nicht laufen?
Ich „darf“ mich nur „glücklich“ schätzen, dass sich das Bild in einem zufriedenstellenden Zustand befindet.

9:40 -AAARRRGGG....

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9. Oktober 2011, Sonntag 8:10, Stocksteif...

Sonnenschein mit  4°C. Mein Bruder hat immer noch meine Laufklamotten und morgens waren es sogar 0,4°C. Sie waren nicht zu Hause.
Hm...
Und nochmals: Hm...
Petra wollte heute mit Tina vorbeikommen. Nur um 15 Uhr findet eine Vorlesung im Künstlerdorf statt und sie antwortet nicht auf meine Nachrichten, WANN sie und OB sie ÜBERHAUPT vorbeikommen. Irgendwie auf heißen Kohlen.
Hm...
Dennoch laufen gehen?
Der gestrigen Katastrophe etwas entgegensetzen?
6,4km.
Ich lache mich tot!
Kurz vor 11, als ich mich dazu entschied, auf Risiko loszurennen. Lief nicht gut. Nein, gar nicht gut. Der linke Fuß stark gelähmt, sträubte sich an dem Vorhaben teilzunehmen. In Jennersdorf, unter Beobachtung, wurde es natürlich nicht besser. Wollte durch eine ruhige Gasse rennen. Doch diese entpuppte sich als Sammelpunkt für die Jennersdorfer Feuerwehrbelegschaft. Ich dachte nur: „Renn weiter! Ein Stückchen noch! NUR vorbei an all den Zusehern!“.
Prompt wurden meine Beine steif (Einschießende Spastik?) und ich musste direkt vorm Feuerwehrhaus stehen bleiben. SO viele Menschen!!! Versuchen, gehend weiter zu kommen. Doch je mehr ich dagegen ankämpfte, desto steifer wurden meine Beine. Ja! Sogar meine Arme!
Es war mir peinlich!
Aufgeben.
Vielleicht sollte ich das Baclofen wieder hochdosieren.
NICHT witzig!
Mittagessen.
Einschlafen.
Den GANZEN Nachmittag schlafen!!! Bis um halb 8, abends!!!
Das bekomme ich also schon OHNE die neue Dosierung des Seroquels hin!
So hatte ich wenigstens die Möglichkeit, abends mal etwas länger am Programm teilhaben zu können.
Und dann schliefen wir noch auf dem Sofa ein -die Knochen melden sich.
Stoffwechselprogramm Teil 3!!!
WARUM hab ich kein Abführmittel genommen???
Die 59,9kg sind auch ZU gnädig!
Kopfschmerzen. Der Weisheitszahn über dem neuen hat nun beschlossen, auch noch nicht ganz das Licht der Welt erblickt zu haben und schiebt und schiebt.
Als ich gestern abends an mir runter sah und bemerkte, dass mein linker Fuß im Vergleich zum rechten total verkümmert ist (Was mich bei den Armen ja nicht wundert -aber auch die Füße???) und der pochende und stechende Schmerz im Spann meine Laufpläne zu untergraben versuchte, kam ich auf die „wahnwitzige“ Idee, das andere Paar Schuhe anzuziehen -OHNE Einlagen.
Laufe mit meinem Spreizfuß sei 13!!! Jahren OHNE Einlagen. Und diese scheinen für ordentlich Unruhe zu sorgen. Einen Versuch ist es zumindest wert. Kann ja nicht mehr als schief gehen!
Aber VOR das Laufen gehört nun einmal ein Gang zur Toilette und ich frage mich, wo das ganze Müsli hin ist, dass ich mir nun mehrmals über den Tag verteilt einverleibe. Und wirklich alles nur wegen diesem einen Mal Fisch in Fettpanade? Mein Darm ist eine richtige Mimose! „Arsch“!!!
Heißes Wasser.
Was soviel bedeutet wie: Der Laufstart verzögert sich um eine weitere Stunde.
Stöhn...
Unruhig bis 4 zählen.
Ratlos.

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10. Oktober 2011, Montag 5:40, Video...

60,8kg.
Muss ich noch mehr dazu sagen?
Ich bin ZU ruhig!!!
Was folgt? Hungern? Abführmittel? Alles wieder hochwürgen? Entwässerungstablette?
Die Spasmen toben sich soeben an meinem Körper aus: „Ich hoffe, es macht Spaß!!!“.
Irgendetwas stimmt nicht.
Und das STINKT mir!
Die Spastik trat noch signifikanter in den Vordergrund und erschwerte das Laufen ungemein -um nicht zu sagen: „Machte es schier unmöglich!“. In Jennersdorf meine Jacke ausziehen und mit dünnem Hemd weiterlaufen.
DAS nennst du LAUFEN???
Fragwürdige Bezeichnung!
Die Beine- nein, eigentlich der ganze Körper wurde immer steifer und gelähmter. UND dann: Umfallen!
Nein, nicht klassisches Stürzen. Sondern wütend anhalten müssen, weil die Beine nicht mehr wollten, das Gleichgewicht verlieren und umfallen. Zum Glück auf den Grünstreifen zwischen Gehweg und Bundesstraße.
Wer jetzt denkt, es wird einem geholfen, der irrt. Mutmaßte anschließend noch, dass es keiner gewagt hätte anzuhalten, bei DEM Gesichtsausdruck, den ich aufgelegt hatte.
7km.
Wieder nicht mehr.
Und solange ich noch Lösungsansätze parat habe, werfe ich auch die Flinte nicht ins Korn: Könnte das am reduzierten Baclofen liegen? Wieder hochdosieren auf 75mg? Oder gar vor dem Lauf 37 oder 50 statt 25mg schlucken?
Lediglich von der Schuhfront war Erfreuliches zu berichten: Kaum in den alten Latschen ohne Einlagen, ein Aufatmen beider Füße: Keine Schmerzen, kein Ziehen, kein Pochen, kein Stechen! Das folgte erst Stunden später im Ruhezustand beim Malen.
Auf dem Weg zum Bäcker an einem Plakat vorbeikommen: „Jennersdorfer Stadtlauf“.
„Na, willst du nicht teilnehmen? Beim „Bärenlauf“?“, spaßte Sebastian.
450m gegen 3 – 7 Jährige: „Und dann kommst du als Erste ins Ziel und kannst die Kleinen verspotten. Lauter weinende Kinder!“, und er lachte.
Witzig. Und doch -mir war nach Heulen.
Abschließend noch einmal bei Mario und Michi vorbeifahren. Nun war zumindest meine Schwägerin zu Hause: „Ich brauche meine Laufsachen!“, und: „Was kriegst du dafür?“.
„Ein Packerl Watschn!“, was so viel bedeutet wie: Vergiss es!
Petra hatte sich in der Zwischenzeit gemeldet und für 17 Uhr angekündigt. Doch Tina rief an und meinte, sie würde lieber heute kommen: Mehr Zeit, besseres Licht und noch die Möglichkeit, sich nach ihrer  Reise nach Kroatien zu erholen.
Besser so.
Mittags sollte es also nun „Zerbombtes Huhn“ geben -Ragout fin. Das zerlegte Huhn war RIESIG, dementsprechend groß wurden die Portionen. Und die beiden Mehrkornbrötchen hätten WAHRLICH nicht sein müssen. Aber OHNE Brot kann ich so etwas nicht essen. Das Fleisch in Zitronensaft und Worcestersauce ertränken. Sebastian war bis obenhin satt. Und ich? Mit meinen beiden zusätzlichen Brötchen?
Warten.
Warten, dass er hoch geht.
Noch mit mir hadern, dass es doch eine Eiweißbombe sei und vielleicht auch gute Eigenschaften hätte.
Warten, dass oben Lärm zu hören ist.
Meinen Krug im Schlepptau ins Bad schleichen und kotzen. Wie man sieht: NICHT GENÜGEND!!!!
Verfressenes Schwein!!!
Es war viel, es war salzig... BLA BLA BLA!
Der Hals brannte, kratzte von dem ganzen Zitronensaft und der dadurch angeheizten Magensäure.
Schlecht fühlen? Wieso sollte ich???
Mich sodann im Faltenlabyrinth verlieren und wie so oft keinen Einstieg finden. Dauerte. Eine Stunde? Länger? Bis 18 Uhr malen, die Musik auf volle Lautstärke, inbrünstig am Mitsingen. Gutes Ergebnis.
Baden. Das Wasser nicht heiß genug -vergessen, den Boiler kurz anzuwerfen. Und für die Solarzellen war es zu bewölkt und zu kalt.
Eiweißshake, Apfel, Nektarine. Und welchen Sinn dann die Vollkornflakes hinterher hatten, bleibt wie so oft ein Rätsel. Frust?
Zumindest den Entschluss gefasst, die Heizung anzuschmeißen. Jetzt ist der Fliesenboden im Haus wohlig warm und ich kann meinen Heizstrahlerkonsum wieder etwas eindämmen.
Tina meinte, sie würde gern auch ein paar Aufnahmen vom Laufen machen. Mir den Kopf darüber zerbrechen, WIE DAS funktionieren soll! Nachmittags!!
Seufz...
Mittags eben eine höhere Dosis Lioresal nehmen? Vorsorglich?
Alles sinnlos.
Möchte mich verletzen.
Wenn das zu Gewichtsverlust führen würde! Zwei Fliegen mit einer Klatsche!
Der rechte Arm ist steif und schmerzt etwas- Nebenwirkungen vom Fall.
Sebastian möchte heute Abend Hühnchen süß-sauer essen. Einfach weniger futtern? Die Entwässerungstablette scheint für die nächsten Tage bereits fix eingeplant.
Dabei fühlte ich mich beim Laufen gestern -trotz aller widrigen Umstände- mal nicht so ekelerregend FETT.

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11. Oktober 2011, Dienstag 5:45, Zu viel Aufmerksamkeit...

Speiübel!!! Und dann kriecht auch noch der Eisengeschmack des Taryferon meinen Hals hoch, als hätte ich jede Menge Blut geschluckt. Für einen Moment kurz davor, mich zu übergeben.
Mit dem Müsli beginnen, davon ausgehend, dass es mein Blutzuckerspiegel sein muss. Ein Brötchen wäre jetzt besser.
Der Wecker hat es geschafft.
Ins Bad kriechen, Klo und mich dann mit den Worten: „Gewicht? Katastrophe!“, Richtung Nähzimmer in Bewegung setzen, wo die neue Waage steht -der Holzboden ist einfach optimaler als die Fliesen im Bad.
Meinen verträumten Augen nicht trauen können!
Wie war das gestern? 60,8kg?
Und jetzt?
59,3kg.
DAMIT war nun wirklich nicht zu rechnen! Der Grüntee?
Das Müsli in mich rein geschaufelt. Na? Besser? Bereit für den Kaffee?
Warten.
Noch nicht.

Im Büro angelangt, einen Stapel Arbeit in meinem Aktenfach vorfinden. Überfordert!
Und mich versuchen, irgendwie mit System durch dieses Chaos zu wühlen. Je mehr ich abhaken konnte, desto besser wurde auch meine Laune. Doch der Körper sah das von einer ganz andren Warte.
(Kurz vor 6: Kaffee)
Ich möchte die Behauptung aufstellen, dass irgendetwas nicht stimmt.
GANZ und GAR NICHT!!
DAS soll wirklich nur die niedrige Dosis Krampflöser sein? Die ich doch ohnehin wieder in gewohnter Menge einnehme? Es fällt mir all zu schwer, das zu glauben.
Der letzte, richtige Schub ist wohl schon zu lange her -hab regelrecht „vergessen“, wie sich das dann anfühlt.
In etwa „so“?
Nach der Arbeit zum Hausarzt, beim Aussteigen aus dem Wagen klebenbleiben, umfallen und die zufallende Autotür, hinter der ich mich noch befand, erledigte den Rest. Schon wieder!
Zu Hause etwas unruhig. Hin und her laufen und Kleinigkeiten verräumen, wischen, kaschieren -z.B. das hässliche Hinterteil von unsrem alten Kühlschrank, das er nun provokant in den Raum streckt. Der Vorhang hielt nicht und die volle „Schönheit“ der Kühlanalge entblättere sich spätestens am Abend: „DAS hättest du eigentlich NICHT sehen sollen!“, ich ironisch zu Tina.
Um 15 Uhr läutete es an der Tür, sie war da, mit Sack und Pack -also mit Komplettausrüstung: Kamera, Stative, Scheinwerfer. Allmählich wurde ich geringfügig nervös. Beim Abschied in der Firma hatte ich noch gesagt: „Ab morgen bin ich „Filmstar“, da kenne ich euch dann nicht mehr!“, und grinste, meine Aufregung verbergend.
Das Licht war schlecht und ich wollte von oben noch zwei Stehlampen holen. Sie nahm mir eine davon ab, ich  folgte mit der zweiten: „Warte, ich nehme die auch noch!“, rief sie von unten hoch. Ich sarkastisch: „Ach ne, geht schon. Wenn ich hinfalle, bin ich wenigstens schneller unten!“.
TATSÄCHLICH blieb ich mit meinen dämlichen Füßen an der letzten Stufe hängen/kleben und knallte samt Lampe gegen die Wand, haarscharf an einer Leinwand vorbei!
So. Nummer 2!
Mein Gangbild verschlechterte sich zusehends, den linken Fuß schleifend und das rechte Bein mit einem schönen Klonus versehen.
Erst filmte sie mich eine Ewigkeit beim Malen, stellte zwischendurch Fragen.
Dann sollte ich auf der Bank vor den Terrassentüren Platz nehmen -zum Interview.
Ich unsicheres, selbsthassendes Wesen: „Hab ich zu viel geredet? ZU viel erzählt? Hat sie sich gelangweilt? Bin ich es überhaupt wert? Ist das, was ich mache, denn ÜBERHAUPT „Kunst“?“.
Abends wollte sie noch ein paar Laufaufnahmen machen, meine Beine fühlten sich katastrophal an, doch ich zog mich um, während sie noch Detailaufnahmen von meinen Bildern machte. Kaum vor der Tür, die Erkenntnis: „Es ist schon zu dunkel.“. Sie will heute vormittags noch einmal kommen. Bzw. hole ich sie nach der Arbeit ab, da ihr Haus in der Nähe de Firma steht. Wenn ich es denn dann finden kann.
Sie rief ihren Mann an, er solle sie abholen und während des Wartens unterhielten wir uns noch angeregt. Ich wusste nicht, dass sie an einer Kunstakademie lehrt. Eine sehr interessante Frau. WAS bin ich im Vergleich dazu? Nichts? Warum dann dieser Aufwand? Das bin ich doch gar nicht wert!!!
(Kaffee alle -wieder schlecht)
Bei jedem Kommentar, den ich zu meiner Vergangenheit und meinen Eltern abgegeben hatte, fügte ich noch hinzu: „Wenn du das verwendest und meine Mutter DAS hört...“. Ich hätte noch viel mehr preisgegeben, ließ es aber besser sein.
Sie ging, mir war schlecht. Von dem Bisschen Grüntee, vom Nichtsessen. Hatte eine Packung „Kaffeekränzchen“ besorgt -diverses Blätterteiggebäck- und dann vergessen, ihr etwas anzubieten.
Peinlich! VERSAGER!!!
Nun machte ich mich aber gierig über eine Nussstange und eine Kirschtasche her, gefolgt vom Verdauungsmüsli. Und SCHON schlief sie wieder.
Zu Mittag gab es das Mehrkornbrötchen vom Vortag mit Joghurtbutter und Kakao. Dabei erschien mir das schon eine unverzeihliche Sünde!!!
Um so verständlicher mein Erstaunen über das Ergebnis der Waage.
Mich fertig machen. Wie auch im Traum. „Zu viel geschwafelt, zu langweilig, zu unbedeutend -schlicht und ergreifend: Überflüssig! Warum hat sie sich das angetan? Bereute sie es spätestens nach den ersten Minuten, sich für meine Wenigkeit entschieden zu haben?“.
Ich mag mich nicht.
Obwohl mich das Gewicht doch etwas beruhigen müsste.
Und ich kann den Zustand meines Körpers nicht leiden, den ich einfach nicht einsortieren kann. Schon gespannt auf die Physio am Freitag -ob auch Simone eine erhöhte Spastik des ganzen Bewegungsapparates feststellen kann.
Versagen -apropos: Ich war mit meiner geflochtenen Frisur ins Bett gegangen. Und hatte morgens entschlossen, dass sie noch salonfähig sei. Doch wieder zu Hause einen entscheidenden Fehler begehen: „So willst du vor die Kamera? Wie ein zerrupftes Huhn?“, und ich öffnete meine Haare, um sie neu zu flechten und zu verknoten.
10 Minuten!!!!! Meine linke Hand machte GAR NICHTS MEHR!!! Verkrampfte, war gelähmt und ich fing vor Verzweiflung und vor allem vor Wut an zu heulen: „VERDAMMT NOCH MAL!!! DAS KANN DOCH NICHT SEIN!!!“.
Schön, jetzt sah ich zwar nicht mehr wie ein zerrupftes Huhn aus, glich nun aber eher einem ZERBOMBTEN Huhn. Und während ich mich quälte, den Wortlaut meiner Neurologin im vorletzten Befund rezitierend: „NEEEINNN! Eine Parese ist nicht sicher verifizierbar!!!“.
Alles sinnlos.

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12. Oktober 2011, Mittwoch 5:23, Panikaktion...

Der Milchkaffee geht über, was aber für den Geschmack, angesichts der Umstände, keine Rolle spielen wird.
Mir über die mickrigen Reste meines Haupthaares streichen und mich fragen, wann dieses komplett verschwunden ist.
Der Gaumen  ausgetrocknet, egal ob ich etwas trinke oder nicht.
Mich für die nächsten 2 Wochen schon einmal daran gewöhnen dürfen.

Während im Büro ein Seminar abgehalten wurde, bei dem ich nur sporadisch zuhören musste, tippte ich Miekes handschriftlich festgehaltenen Jahresbericht ab und ließ diverse Fallfehler verschwinden und beschönigte einige Sätze so, dass sie auch jeder verstehen konnte. Ich kann sie beruhigen: VIEL war da nicht und ihr Deutsch ist für eine Holländerin um Meilen besser als das diverser anderer Kollegen.
Mich um 10 aus dem Staub machen und heillos verfahren. SCHÖNE Landschaft- aber WO zum Henker war ich??? Tina anrufen und mich zu ihrem Haus lotsen lassen.
Dort angekommen durfte ich einen Blick in ihr renoviertes Bauernhaus werfen: NEID!!! SO wunderschön! Und all diese alten Möbel, die perfekt mit dem Ambiente des alten Gebäudes harmonierten. Erstaunt, WIE offen und freundlich ihre kleine Tochter war. Musste im Vergleich dazu an mich in dem Alter denken: Wie TAG und NACHT!
Doch bereits darüber grübelnd, in welcher „Formschönheit“ ich die paar Stufen erklommen hatte...
Nun über den richtigen Weg nach Hause fahren und zwei Kilometer vorm Ziel halten, um hier in der Abgeschiedenheit und bei gerader Straßenlage die Aufnahmen vom Laufen zu machen.
Loslaufen.
ARG!!!
„Warte, ich versuch es noch einmal.“, und lief nun auf sie zu.
4 oder 5 Schritte?
Anhalten: „Nein, das geht nicht. Ich glaube, ich hab einen Schub!“.
Zwei überproportionierte „Besenstiele“ hingen da an meinem Becken.
Die Maschinerie im Kopf wurde angeworfen, wie jedes Mal, wenn ich mit mir selbst den „Schub oder nicht Schub?“ -Kampf ausfechte.
Zu Hause erwähnte ich meine Schuhkollektion, die sie dann vorm Haus in Szene setzen wollte. 8 Paar Laufschuhe erstreckten sich über den halben Weg ums Haus. Ich nannte es „product placement“ oder auch „Schleichwerbung“ für Ascis.
Und dann war ihre Festplatte voll und sie brach ab.
Meinte aber, unbedingt vor Weihnachten noch einmal vorbeikommen zu wollen und dass wir in Mailkontakt bleiben sollten.
Erstaunt. War ich das überhaupt wert?
Sie animierte mich noch dazu, vielleicht DOCH im Krankenhaus anzurufen. Ihr Mann kam und als sie fuhren und ich noch wie eine Irre den beklopptem Autoschlüssel suchte, entwickelte meine Blase ein Eigenleben und kaum am Klo angekommen und drauf und dran, die Hose zu öffnen, pinkelte ich mich wieder einmal an.
Blasensturz.
Es war schon nach 13 Uhr, ob noch jemand da sei? Es einfach versuchen und Hedi ans Telefon bekommen. Meine Misere schildern: „Die Frau Dr. Wiesböck ist erst wieder nächsten Montag da.“.
Solange warten, mit einem vermutlich akuten Schub?
„Du kannst auch in Feldbach anrufen, da ist nun die Frau Dr. Meister!“, die Sebastian immer „Fräulein unterzuckert“ nennt. Auf den ersten Blick- ich hab sie in den zwei Jahren geknackt!
Auf die Internetseite des Krankenhauses gehen. TATSÄCHLICH!!! Seit 2010 eine Neuro und Schwerpunkt auch auf MS!!! Anrufen, mehrmals weiter verbunden werden und dann am Ende mit ihr sprechen. Sie erkannte mich sofort: „Wie geht es Ihnen?“.
Länge mal Breite durchkauen, was gerade so am „Laufen“ war.
„Würden Sie nun hier her kommen, müssten Sie auch das Krankenhaus offiziell wechseln. Und das wäre Frau Dr. Wiesböck gegenüber nicht so fair, weil Sie sich doch gerade in einem Therapiewechsel befinden.“. Machte mir Mut, nochmals in Oberwart anzurufen und meinte dann, sie nächste Woche auf einer Fortbildung zu treffen und dann mit ihr über einen Wechsel zu sprechen.
Pah! 50 Minuten fahren oder poplige 15? Muss man da lange überlegen?
Nächster Anruf: „Ich glaube, IHR müsst euch mit mir abärgern...“.
Hedi: „Dann komm morgen.“, hielt inne: „Wie stark sind die Symptome?“.
Tja...
„Komm gleich, melde dich unten in der internen Ambulanz!“.
Ins Auto, losfahren und um 3 am Ziel.
Erst einmal die Ambulanz finden, dann war da auch keine Menschenseele mehr und ich stand etwas ratlos im Flur herum. Ehe eine Schwester auftauchte, die ich mir schnappen konnte.
Hinsetzen.
Warten.
Warten.
Warten.
Aufgerufen.
Einem lustigen, jungen Arzt mein Problemchen schildern, er hämmerte fleißig eine Anamnese in seinen Computer. BIS das System abschmierte und die PCs ihren Dienst einstellten. Während die eine Schwester ihrem Blechtrottel mehrmals androhte, ihn aus dem Fenster zu werfen, griff der junge Arzt souverän zu seinem Handy und machte ein Foto vom Text auf dem Bildschirm: „Das mache ich schlussendlich auch nicht zum ersten Mal! War erwartet man auch von einem „Schraubenerfassungsprogramm“?.
Schmunzeln.
Blutzuckerdebatten kamen zwischen den beiden auf. Sie: „Warum hast du denn noch nichts gegessen?“.
In meine Tasche greifen und eine Rolle Fizzers auf den Tisch knallen: „DA, geht sofort ins Blut!“.
„Ah, meine Tochter liebt die Dinger“, und: „Ich werde diese Rolle in Ehren halten!“.
Dann machten sie ein Wettrennen daraus, wessen Computer schneller wieder hochfahren würde, er gewann und tippte den Text von seinem Handy ab. Und GENAU so sah DIESER dann auch aus! Aber egal, man kann sich die fehlenden Buchstaben und die Abstände zwischen diversen Wörtern denken.
Genau so souverän traf er eine perfekte Vene, legte einen Verweilkadether an, der sogar für die Infusion taugte.
Die Reste aus meiner Blase quetschen -nachdem ich mich beim Aussteigen aus dem Wagen schon wieder fast angepinkelte hätte und dann nur noch zusah, beim Betreten der „heiligen Hallen“ das erstbeste Klo aufzusuchen.
Im Warteflur Platz nehmen.
Warten.
Warten.
Warten.
Einschlafen.
Keine Ahnung, wann die Neurologin eintraf. Man kannte sich. Natürlich, was sonst!
Und dieses Mal KEINE Debatten über meine Psyche und darüber, dass Phänomene in beiden Beinen „eher untypisch“ für einen Schub seien. Ich war mir sicher! PUNKT! Dafür kam die Verschlechterung zu plötzlich und nahm auch unerwartet schnell zu. Und es ging ja auch um MEIN LAUFEN!!!
Ein paar Tests.
Dann wieder draußen warten.
Warten.
Warten.
Einschlafen.
Aufgerufen werden.  
NUN endlich wurde der Stoff aus einer andren Station organisiert und ich kam an den Tropf. Auf die Frage, was mir lieber wäre, „Bequemer Stuhl oder Liege“, wählte ich ohne zu überlegen das Bettchen, um weiterschlafen zu können.

Tag 1

Die Tropfgeschwindigkeit ZU langsam, aus offiziellen 2 Stunden wurden über  3, währenddessen versuchte Sebastian mich verzweifelt zu erreichen, doch kaum abgehoben, brach die Verbindung zusammen.
Der LETZTE Versuch, irgendwann um 7, klappte.
Die Infusion selbständig abstellen, nachdem die Flasche geleert war. Und nun?
Warten.
Warten.
Warten.
Und zusehen, wie mein Blut in den durchsichtigen Schlauch floss. Zentimeter um Zentimeter. Den Schlauch dann so halten, dass aus 10 20 und dann sogar über 30cm wurden. Schöner Anblick -morbides Hobby.
Hatte ich doch bereits bei der Diskussion mit der Ärztin über das selber Mitbringen des Kortisons vom Infusionsbesteck berichtet, das nun noch Hause herumliegen würde: „Was soll ich damit machen? Na ja, aufhängen kann ich mich damit!“. Sie entsetzt: „Nein, das sollten Sie nicht tun!“.
Und da nun nicht klar war, ob ich es selbst besorgen müsste -wie gewohnt- oder nicht, was ihre Überzeugung war, entschloss ich einfach heute KEINE Rezepte zu holen und abzuwarten.
3 Tage sind erst einmal geplant. Dann mal sehen, wie es mir geht.
Als mir der junge Arzt den Brief in die Hand drückte, meinte ich: „Ich muss weg! Deutschland spielt!!!“.
ICH alter Maulwurf und dann nachts mit dem Auto durch die Lande tuckern!!! Alle Spiegel so verstellen, das jene hinter mir mich nicht mehr blenden konnten und einfach langsam und gemütlich nach Hause fahren.
„Gemütlich“? Dass ich nicht lache! Die erste halbe Stunde war ich dermaßen angespannt und starrte verzweifelt auf den Mittelstreifen, dass sich mein gesamter Körper verkrampfte. Erst draußen, auf den Dörfern, ließ der Verkehr nach und ich konnte ziemlich einsam vor mich hin fahren. Wieder langsam -Krötenwanderung!
Mitten auf der Straße ein überfahrenes Tier. Wieder krochen Tränen in meine Augen.
„Wieder“! Denn morgens im Büro, als Mieke etwas aß, sah ich sie sterben.
Tabletten!! Aufwachen!!! Tut was!!!!
Henndorf erreicht, lief mir die Katze meines Vaters vors Auto. DAS werde ich petzen!
Wie erwartet: Munter. SO munter, dass ich sodann noch fast das ganze aufgezeichnete Fußballspiel überlebte, Bis „Stutzn Peppi“ (Thomas Müller) den Platz verließ- dann verpennte ich. Und dank „Seroquel“ konnte ich auch schön schlafen.
Muss Simone anrufen.
Muss Mieke anrufen.
Und muss so früh als möglich losfahren. Dank fehlender Verbindung konnte ich auch mein Taxiunternehmen nicht kontaktieren und für eine lustige „Mutter -Tochterfahrt“ fehlt mir einfach der Nerv. Oder einfach gesagt: Die Kraft!
Tabletten runter würgen. Ab heute 100mg Lamictal auch am Morgen.
Gaumen trocken.
Gelenke schmerzen, Beine steif und hoffen, dass das Kortison auch eine positive Wirkung auf das Geschehen in den Füßen hat.
Apropos „Baustelle: Füße“!. Auf dem rechten Spann nun ein Hämatom. Und nicht wissend, dass mir da etwas drauf gefallen wäre. NEIN, VIEL BESSER!!! Darunter Schmerzen im zweiten Mittelfußknochen. Das erinnert mich doch an etwas?
Seufz...

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13. Oktober 2011, Donnerstag, Tag 3 oder auch Tag zwei...

2:30 -wach und Eisen schlucken.
4:50 -wach und den um 5 klingelnden Wecker entschärfen
4:56 -aufstehen und zurück ins Bett fallen.
Noch einmal aufstehen.
Die Voranzeigen der Waagen meines „Profils“ leise mitsprechen und dann mit den Wort „Katastrophe“ wie immer abschließen und mich auf das Folterinstrument stellen.
60,2kg.
Mein Stoffwechsel macht Kortisonpause.
Das Abführmittel liegt nun schon nicht zu übersehen auf der Arbeitsfläche der Küche.
Alles mit Untersetzern und Servietten versehen. Begonnen bei der Tasse für die Milch, die in der Mikro warm gemacht wird bis hin zur Kaffeeschale, die nach dem Notebookunfall sogar einen Suppenteller als Lebenspartner untergeschoben bekommen hat.
Frage: Ist es heute besser oder nicht? Der Gang zum Auto und dann ins Krankenhaus wird es zeigen.

Zweiter Tag:
Sebastian wecken, fertig machen, durchs Wohnzimmer wuseln, entnervt auf der Suche nach meinem bekloppten Handy.
„Wie du wahrscheinlich schon bemerkt hast, kommt heute nach der „fröhlichen Plapperphase“ die „aggressive Plapperphase.“.
Er völlig entspannt bis fast gelangweilt: „Ja, ich weiß. Und morgen...“, und er zeichnete mit dem Finger eine Kurve in die Luft, die am Ende eine Talfahrt machte: „...bist du TODunglücklich...“. Er fing an mich zu zitieren: „Ich kann mich nicht leiden! Ich bin SO fett und PICKEL hab ich AUCH!!!“.
„Mensch, ich LIEBE dich! Dass du dir DAS alles schon gemerkt hast!“, und drückte ihm einen Schmatzer auf die Wange.
Vorm Spiegel meinen übrig gebliebenen Rattenschwanz langziehen: „Ich hab gar keine Haare mehr.“.
Er: „Du darfst eben nicht immer deine Knoten machen!“.
„Ja, und dann?“, wieder mit diesem gereizten Tonfall: „Offen tragen und wie ein Assi aussehen?“, um mich in meiner Stimmlagenwahl zu korrigieren, um sodann ironisch zu klingen: „Und dann nicht mehr waschen, so halten sie von allein: Naturgegelt sozusagen!“.
Im Auto: „Wie dir vielleicht schon aufgefallen sein mag, halte ich mich gerade sehr zurück und unterdrücke die Aggression in meiner Stimme!“.
„Achso? Ist mir nicht aufgefallen.“, und grinste verschmitzt.
Ihn in Jennersdorf zum Bäcker jagen und ihm hinterher zu rufen: „Nimm zwei! Weißt schon: Die verfressene Phase!“.
Bei der Tanke dann: „Ich werde mir ein Megaphon besorgen, Scheibe runter kurbeln und meine Straßenkollegen endlich LAUT beschimpfen. Und wenn einer von hinten kommt, dreh ich mich eben nach hinten: „Du ARSCHLOCH!!! Kennst du keinen Sicherheitsabstand? Kleb mir nicht so am Auspuff!!“.
Sympathisch, nicht?.
Losbrettern.
Meinen Weg kreuzten gleich 2 alter egos von Hel.
Da in -Heugraben?- standen die Moorochsen dieses Mal unten am Straßenrand und ich konnte einen Blick hinüber werfen. Verfolgt wurde ich seit einiger Ewigkeit von einem Jennersdorfer und fragte mich, ob er die Vorzüge vom Schleppenlassen genau so schätzt wie ich: Schön, jemandem hinterher zu fahren, der sich immer an die Beschränkungen hält. Die Fahrt wie ein Computerspiel, wie einen Parkur sehen, den es fehlerfrei zu bewältigen gilt.
Der Jennersdorfer wurde von einem Güssinger abgelöst.
Einem LKW mit zwei Anhängern hinterher schleichen.
„Ein Leichtgewicht auf Europas Straßen!“, stand auf seinem Heck. Pf...
Der Güssinger wurde wiederum von einem Oberwarter abgelöst -der eindeutige Beweis, im Burgenland gen Norden zu fahren!
Auf dem Parkplatz aussteigen, den Rucksack auf den Rücken und die Fressalien (Weintrauben, Pflaumen, Birne und zwei Graham -Brötchen) in einen Einkaufsstoffbeutel stopfen.
Mich in Bewegung setzen. Was war das hier nun? „Markieren“, „Übertreiben“, um ernst genommen zu werden? Sollte ich mich einfach mehr anstrengen und dann würde mein Gangbild gleich rosiger aussehen?
Es versucht.
Einige Schritte.
Um wieder links indulierend zu hinken und rechts ein massiver Klonus.
Der Weg ist so unendlich lang...
Ächzend, klebenbleibend, stolpernd, schleifend, um jeden Schritt kämpfend.
Sah „GUT“ aus für meine selbst gestellte „Schubdiagnose“.
Vom Dach aus von einem bekannten Reviergesang begrüßt werden: „Phoenicurus ochruros.“, leise flüstern.
Hausrotschwanz.
Die Ambulanz voll, wie auf einem Catwalk von allen eingängig angeglotzt werden. Konnte es in den Köpfen förmlich rattern hören: „Die geht ja schlecht! Was die wohl hat?“.
Elisabeth empfing mich mit bemitleidender Miene, Hedi grinste wie immer: „Grüß dich!“.
Durfte sofort in einem Untersuchungszimmer gegenüber vom Anmeldepult Platz nehmen.
Das Thema mit dem Wechsel ansprechen. Hedi ungläubig: „Was hätten die denn gemacht, wenn du einfach gekommen wärst?“. Als ich Dr. Meister zitierte: „Ah, die Meister will dich uns abkaufen, wie?“, Hedi, und grinste.
„Tja, das werde ich wohl wirklich tun...“.
Hedi zu Elisabeth: „Das hab ich ihr gestern gesagt. Ist doch viel einfacher für sie...“.
Und ich fügte hinzu: „Ist schon ein gewaltiger Unterschied: 15 oder 60min fahren!“, und wurde etwas wehmütig: „Dann endet unsre langjährige Beziehung und ihr seid mich endlich los!“.
Das am Ende musste ich wieder einbauen. Weil ich mir selbst so überflüssig und dabei SO lästig vorkomme!
Wie immer.
Eine junge Ärztin stach den Port an, spülte, und versuchte sodann die Spritze wieder aufzuziehen: „Ist das normal, dass ich kein Blut raus bekomme?“.
„Ja, das ist der 4. Port in Folge, der dies nicht zulässt. Lehnen Sie sich einfach entspannt zurück und hängen Sie die Infusion an.“.
Eine andre junge Ärztin betrat den Raum und grinste mich freundlich an: „Wir kennen uns auch schon!“.
Ich musterte ihr Gesicht: Ja, da klingelte etwas bei mir.
Schielte auf ihren Namensaufdruck auf der Brusttasche ihres Arztkittels: Dr. Stecher.
Das war förmlich eine Einladung für einen passenden Kommentar: „Liegt das Arzt Werden bei Ihnen eigentlich in der Familie? Bei DEM Namen? Nomen est omen?“.
Sie lachte: „Nein...“, überlegte kurz: „Eigentlich gar nicht.“.
Ich zur andren Ärztin: „So gesehen hätte sie den Port anstechen müssen.“, und grinste breit, um den Humor hinter dieser Aussage zu unterstreichen.
Elisabeth: „Ich war SHOPPEN!!!“, und hielt mir stolz den Infusomaten entgegen.
Tja, ohne Technik mach ich's einfach nicht!
Dann ihre geniale Idee, ob ich auf einem Stuhl nicht besser sitzen würde und so könnte ich die Liege als Tisch für HansPeter nutzen: „Und die können Sie auch höher stellen!“, und zeigte mir das Pedal, unten am Rahmen des Gestells der Untersuchungsliege.
Hinsetzen, höher stellen, warten.
Warten, dass er endlich mit der Installation der Updates fertig wird.
Die Gedanken fließen wie immer, das Tippen fällt leicht und geht schnell von der Hand/ den Händen.
Und wie jedes Mal am zweiten Tag mit einer Portion intus: Jeder noch so krümelige Gedanke, jede noch so unbedeutende Beobachtung muss festgehalten werden.
Eine Stimme in mir -wohl bekannt- nennt das: Jeden Scheiß aufschreiben!

Während ich nun Weintrauben futtere und sich meine Geschmacksnerven langsam aber sicher verabschieden, aus dem Fenster blicken und über die Hässlichkeit Oberwarts sinnieren.
„100 Jahre Krankenhaus Oberwart“, überall im Haus kleine Plakate mit der Einladung, an den Feierlichkeiten am 14. teilzuhaben.
Tja, DAMALS war das Gebäude noch schön, wie ein Foto auf eben diesen Plakaten beweist. Ich meine mich zu entsinnen, dass es in den späten 80ern „renoviert“ wurde. Oder sollte man nicht lieber von Verhunzen sprechen?
Aus einem Haus -was man so unter Haus versteht- wurde ein „stylischer“ Betonklotz, der förmlich dazu einlädt, ihn als „Betonpilz“ zu bezeichnen. Angelehnt an das Wort „Atompilz“ und erst jetzt, wenn ich so darüber nachdenke, sieht es einem eigentlichen Pilz auch noch sehr ähnlich.
„Schiach!“, wie man hierzulande sagt.
Erst Simone auf den AB quatschen.
Und erst nach mehrmaligen Versuchen jemanden im Büro erreichen, zwar nicht Mieke, aber Heidi: „Du, ich bin seit gestern im Krankenhaus und morgen muss ich wieder hin. Nicht, dass du glaubst, ich mach es nun wie die Klienten...“.
Sie irritiert: „Mit wem spreche ich, bitte?“.
„Bianca.“.
„Achso! Jetzt erkenne ich dich erst! Na, DIR glaube ich, dass du im Krankenhaus bist, wenn du das sagst!“.
„Könntest du Mieke bitte ausrichten, sie soll mir den Jahresbericht mit den gewünschten Änderungen per Mail schicken? Dann mach ich das zu Hause!!“.
Vorher viele Leute, jetzt irgendwie still und hoffen, der Akku hält. Hätte ich gewusst, dass ich hier sitzen darf, hätte ich wahrlich mein Netzwerkkabel mitgenommen.
Vorher, als ich noch im Lift stand, starrte ich in den Spiegel auf der gegenüberliegende Seite: „Mensch, hast DU zugelegt! So speckig!“, den Bauch einziehen, das Kleidhemd zurecht zupfen und linken mit rechtem Oberarm vergleichen. WAS für ein Unterschied.
Jetzt -mich dessen erinnernd- für einen Moment die Arme vor meinen vermeintlichen Speckrollen am Bauch verschränken.
„Vermeintlich“? Wie ANMASSEND! Wo kommt DAS denn her?
Die Weintrauben schmecken viel zu süß und im Abgang bitter.
Der Schädel dröhnt, die Musik ertrage ich nur im Flüsterton.
10:25
Akku halb leer. Oder NOCH halb voll -wäre ich denn ein hoffnungsloser Optimist.
Nächste Blick aus dem Fenster.
Auch im Sonnenschein ist Oberwart alles andere als ansehnlich.
Weintrauben alle -Brötchen?
VERFESSENES MASTSCHWEIN!!!
Nachher zu McDonalds, großen Milchshake und dann zu Hause wieder ausspucken?
Hm...
10:44
Elisabeth: „Na, viel ist nicht mehr!“, ermunternd.
„Bei euch geht das wenigstens schnell! Gestern war ich um 3 da und bin irgendwann um 8 nach Hause gefahren.
Sie: „Wir sind ja auch froh, wenn sie wieder gehen.“.
Ich spaßhalber zähneknirschend: „DAS kann man jetzt aber zweideutig auslegen.“.
Sie lacht und streichelt mir über den Oberarm.
„Na, ich bring dann morgen Schnaps mit!“.
„Na, besser nicht!“, und verlässt lachend wieder den Raum.
Ich mag diesen knackenden Apparat zu meiner rechten. Pünktlicher geht es kaum noch!
11:30
Gehen. Unten beim Portier meinen Behindertenausweis und den Parkschein durch das Loch im Glas reichen und warten. Währenddessen das Plakat für die Feier noch einmal eingängig mustern.
Nein, nicht Haus. Eigentlich sah es damals aus wie ein großes Gutshaus oder gar ein Schlösschen.
Und die Landschaft dahinter, der Hügel -Äcker und Wälder.
„Früher war alles besser!“ -manchmal stimmt das immer noch.
Große Schwierigkeiten beim Rausgehen zum Auto. Dort angekommen sofort in allen Ecken und Ritzen nach Kleingeld suchen. Es würde für einen Milchshake reichen. Losfahren und den entwerteten Schein in den Automaten stecken.
Den MP3 -Stick vergessen und mich ärgern. Die erste Ampel rot und versuchen, den Beutel auf dem Rücksitz zu grabschen. Fiel runter.
Grün.
Das Auto hinter mir rückte in den Fokus der Aufmerksamkeit: „Oh, WIR müssen nicht blinken! Wir fahren schließlich auch einen BMW, S-Klasse. OH, und aus Mödling sind wir AUCH noch...“.
Am McDonalds schlussendlich vorbeifahren, der bitter-süße Geschmack in meinem Gaumen war überzeugend genug, es sein zu lassen.
An unzähligen Haltemöglichkeiten vorbeifahren und mich ärgern. Mit 70 eine Parktasche auszumachen auch recht schwierig. Dann in der Ortschaft endlich rechts ran fahren, Motor aus, Stick suchen, reinstecken, eine Pflaume futtern und ein paar Maoams auspacken und vor mir vor die Armatur legen.
Weiterfahren und laut mitsingen. Bei jedem Lied ohne Gesang mir ein Kaubonbon in den Mund schieben. Die Heimfahrt verging schnell.
Dann im letzten Dorf vor Henndorf zwei Nebelkrähen auf der Straße. Von 100 runter bremsen, bis der Wagen zum Stillstand kam. Den beiden zusehen, wie sie über den Asphalt hüpfen, ehe sie ihre Schwingen ausbreiten und losfliegen.
„Na, ihr Süßen?“.
12:29
Zu Hause, Fische füttern und mir von Martha eine Litanei anhören dürfen: „Lass doch die doofen Fische, mach die Tür auf oder begrüße mich wenigstens mal. Warum dauert das solange? Mach endlich hinne! Tür auf!“, und dann vor eben dieser, als ich den Schlüssel ins Schloss steckte, drückte sie bereits ihre Nase am Türspalt platt, was sie aber keineswegs am Meckern hinderte: „Schneller! Schneller! Schneller!!“, und dann, kaum im Haus, noch ein: „Wurde auch Zeit!“, quaken, bereits auf dem Weg zum Buffet.
Es waren nicht 2, sondern 3 Brötchen. Mir noch eines gönnen, die eine Hälfte mit geräucherter Hühnerbrust, die andre mit Joghurtbutter und Kakao.
Kakao... Die Milchpackung bekam ich schon wieder nicht auf und meine Zähne mussten herhalten. Immer häufiger in letzter Zeit.
Malen?
Meine Mutter rief an.
Entsetzt zu hören, dass ich schon jetzt einen Schub bekommen hatte.
Einschlafen.
Bis 4 oder so, dann klingelte das Telefon erneut und Sebastian wollte abgeholt werden.
„Ich hab Hunger!“, und dann noch die Feststellung: „Du bist so hübsch!“.
JA, das Gesicht vom Kortison gleicht einer Maske, das geblümte Kleidhemd und die unterm Arsch hängende, schwarze Cordhose -GANZ hübsch.
„Ich wollte eigentlich beim Gehen noch sagen: „Falls ihr mich morgen nicht mehr erkennen solltet, ich bin DIE mit dem „Marchfeld“ im Gesicht!““. Für alle Nichtösis: Das Hauptanbaugebiet für Gemüse.
Er lachte laut los: „Lass mich raten: So etwas fällt dir beim Autofahren ein!“.
An den Herd stellen und mehr wie ein Roboter anfangen zu kochen.
Meine Mutter stand vor der Tür mit einer neuen Schüssel Weintrauben.
Kam rein und fing an zu erzählen.
Das Essen war fertig, sie wollte nichts, setzte sich aber und erzählte weiter, während wir schon aßen.
Ich sollte ständig in diesem „Zustand“ sein, denn ich konnte es gut ertragen, empfand die Unterhaltung sogar als angenehm.
Das Essen mundete nur geringfügig.
„Wann willst du in die Wanne?“.
„Wenn du bis 7 mit Baden fertig sein könntest?“.
Noch während des Kochvorganges hatte ich mich selbst elegant ausgetrickst und das Datum auf dem Keilrahmen verewigt. Nun MUSSTE ich.
Einen kleinen Klecks Schwarz und einen kleinen Klecks weiß -mehr braucht es im Moment nicht, um „glücklich“ zu sein. Und ich war erstaunt, mit welcher Ruhe ich da saß und jede NOCH zu winzige Falte mit Liebe herausarbeiten konnte. Förmlich besessen davon, so weit ins Detail zu gehen, wie es der 1er -Pinsel zuließ.
Baden.
Eigentlich wieder ans Bild, doch ich hatte die Palette unter der Tischlampe vergessen und die Farbe hatte bereits das Zeitliche gesegnet.
Dann klingelte das Telefon ein drittes Mal: Tina.
„Petra hat mir erzählt, du bist schon wieder im Krankenhaus?“, mit besorgtem Tonfall.
Und dann äußerte sie den Plan, ihre Termine irgendwie über den Haufen zu werfen und wieder nach Österreich zu fahren, um noch einmal zu filmen. Vielleicht auch im Krankenhaus: „Das wird doch langweilig? Vor  allem am Wochenende dauert das immer eine Ewigkeit... Willst du dir diese Strapaze wirklich antun?“.
Bin gespannt. Und würde ich dennoch davon abraten.
Auf dem Sofa sodann kurz anzicken, um sofort wieder nach der Hand des anderen zu suchen und sich „liebevoll“ weiter zu unterhalten.   

5:47
Trinke ich noch eine Schale Kaffee?
Was ziehe ich an?
Kleid? Kein Kleid?
Zweite Schale. Davon wird das staubige Gefühl im Gaumen auch nicht besser. Und riskiere zudem noch wieder allergisch auf die Milch zu reagieren und mir einen fetten Blähbauch für den Vormittag zuzulegen.
Egal.
Der andere war einfach zu schnell kalt und noch schneller vernichtet.
Was tue ich? Um die volle 5-Tage -Kur BETTELN?
Weil es um mein LAUFEN geht?
Und ich keine Lust habe, mir diese Tortur erneut für NICHTS angetan zu haben?
So kann ich wenigstens am Ende behaupten, alles Menschenmögliche versucht zu haben!​

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14. Oktober 2011, Freitag kurz vor 5, Tag 4 bzw. Tag 3....

4:40 und dann 60,7kg.
Mit heißem Wasser beginnen...
Dritter Tag:
Die Entscheidung fiel zuletzt auf das schwarz -rote Kleid mit Overknees und DocMartens. Mit „Discooutfit“ ins Krankenhaus. Ein Hauch „Gothic“.
„Du siehst TOLL aus! Du solltest mehr solcher Kleider kaufen!“.
An derselben Stelle wie schon zuletzt nach Kukmirn traf ich Hels Kopie mit den beiden Nebelkrähen im Schlepptau.
Streifenregen/ -niesel, schlimmer geht es kaum noch: Scheibenwischer an, aus, Intervall, aus, Stufe 1, Intervall, aus, wieder Intervall...
Einem Fürstenfelder waren meine 100km/h in der 100er-Zone zu langsam und er sah sich gezwungen, mich notgedrungen zu überholen. „Pappnase!“, zischte ich hinterher.
„RR“ zum Frühstück: Rammstein -Raumklang! Laut mitsingen und am Überstrapazieren meiner Stimmbänder arbeiten, die unter Kortison besonders empfindlich sind.
10 nach 8 ankommen. Immer noch denselben „Groove“ in den Beinen. Versuchen „normal“ zu gehen. Nur im Schneckentempo so etwas Ähnliches wie „möglich“. Schneller gehen, zurück in den Klonus.
Schwester Hedi: „Wo willst du hin? Da rein?“ und zeigt auf den Raum von gestern: „Oder da ins Kämmerchen? Hast ja deinen Computer mit, da hast du mehr Ruhe. Es dauert ohnehin noch, ist noch Morgenbesprechung.“.
Kurz anfragen: „Es ist nicht besser geworden, kann ich bitte 5 Einheiten machen? Muss alles ausprobieren!“.
„Ja, hm, aber das musst du nachher besprechen.“.
8:40
Die Ärztin vom Vortag taucht auf: „Ah, noch nichts da?“, und verschwindet wieder.
Warten.
8:46
Kommt rein, lässt die Hälfte des mitgebrachten Krempels fallen, schiebt noch den Infusomaten in den Raum: „Die Infusion dauert noch 2 bis 3 Minuten.“, und entschwindet.
Warten.
Hier drinnen könnte man, wenn man denn dafür geschaffen wäre, Platzangst bekommen. „Besenkammer“ -treffend.
Meine Birne heute knallrot. Weg die Blässe.
Es mir mit dem Stuhl vor der Liege, auf der das Notebook steht, irgendwie bequem machen. Da lässt sich nichts höher stellen und meine Beine eingeklemmt.
8:52
Sie kehrt wieder, doch keine Steckdose zu finden, nur unterm Schreibtisch und unter dem Lichtschalter neben der Tür: „Das wird sich nicht ausgehen.“.
„Ich bin flexibel, wenn ich mich da an den Tisch setzen darf, dann reicht es.“.
Über dem Mülleimer lässt sie die Anfangsflüssigkeit aus dem Schlauch tropfen. Ich besorgt: „Nicht zu viel verschwenden von dem kostbaren Saft!“.
„Da passen nur 10ml rein und wir haben insgesamt 500ml...“.
Ich grinsend: „Gerade noch zu verkraften!“.
Als sie geht: „Handy nicht vergessen!“, welches sie zuvor mit den Worten: „Nicht dass es wieder raus
fällt!“, aus der Tasche genommen hatte. So sah es auch aus, wurde förmlich von „Verbandsmaterial“ zusammengehalten.
„Oh, danke!“, und lacht, ehe sie wieder entschwindet.
9:00
Die Infusion gestartet.
Infusionsständer entwickeln, um mehr Spielraum zum Herausziehen des Rollschränkchens unter dem Tisch zu bekommen, um letztendlich darauf meine Futterbox zu platzieren.
Heute das Netzwerkkabel im Gepäck und schon mal dessen Länge und die zu überbrückende Distanz bis zur zweiten Steckdose berechnen. Mein Rucksack gefüllt wie der eines Kleinkindes, das eine Reise tut: Ganz viel „Spielzeug“, weil man ja bespaßt werden will!
Weintrauben futtern und langweilen.

Die Zeit verstreichen lassen indem ich mir den Krankenhausbericht vom Januar 2008 durchlese. Je mehr ich in meinem schwarzen Wörtersumpf versinke, desto mehr fange ich wieder an zu zittern und vor und zurück zu wippen.
10:54
Gleich ist Schluss und der Akku ohnehin leer...
Ausmachen.
Zum Notizbuch wechseln. Die auf dem Boden verstreuten Weintrauben einsammeln. Wieder die Idee, zu McDonalds zu fahren, um mir einen Burger zu kaufen. Das Kleingeld liegt schlussendlich noch auf dem Beifahrersitz.
Kein Rückruf, als ich das Handy zum Musikhören hervorkrame. Mich fragen, ob Simone ihren AB abgehört hat. Die Birne wieder verschmähen, der Spiegel in der Flasche sinkt und das leidige „Gestinke“ geht los. Doch die verdoppelten Antidepressiva halten mich ruhig.
11:04
Piepsend wird das Ende eingeläutet.
Während ich im Flur warte, meine Tasche umräumen, Kaugummi futtern und Musik hören. Und ein paar Katzenhaare da lassen.
Verdammt ruhig.
Bis auf die Frau neben mir, die nervös mit ihrem Fuß wippt.
Es folgt noch ein Gespräch mit einer Neurologin. Darüber, ob ich 5 Tage machen kann. Sie ist damit einverstanden, besteht aber darauf, dass ich montags oder dienstags mit meiner Ärztin spreche.
Nach all dem, was wir durch haben: Um mir irgendwelche Sätze an den Kopf werfen zu lassen, weil ich nun doch letztendlich zu meinem Kortison gekommen bin -hinter ihrem Rücken- und mich all die Ärzte doch gar nicht kannten? MICH und mein „Psychoproblem“? Oder worauf wird es hinauslaufen?
Keinen Bock!
Letzte Station im Haus -vorm Portier- das Klo. Aus der roten Birne ist nun ein rot geflecktes Gesicht geworden.
Wieder beim Burgertempel vorbeifahren und mir im Kopf Alternativen fürs Mittagessen basteln. Eine andere Strecke ausprobieren. Die Zwischenetappe dauerte ebenfalls exakt 24min, war dabei 3km länger und fühlte sich VIEL kürzer an, da man nur wenige Dörfer zu passieren hat. 3 neue Idioten hinter mir, riskante Überholmanöver und böses hinterher Fluchen.
Mich zu Hause noch um Mieke und Tina kümmern, Kakao und Brötchen aufbacken und mich zum Essen auf dem Sofa zu einer Sendung „Britt“ einfinden.
Malen?
Nein.
Einschlafen.
16:40
Aufstehen und darauf warten, dass Sebastian endlich anruft. Tina hatte bereits alles beschlossen, die Tickets gekauft und würde bereits am Freitagnachmittag wieder bei mir sein.
Er ruft nicht an.
Eine Kordel aus dem Nähzimmer holen und durch die Schlafen meiner Cordhose fädeln, engziehen, Schleife machen, um sie nachher nicht mehr zu verlieren.
Nach 17 Uhr endlich das Freizeichen, losfahren zu können. Apotheke, Kortison bestellen, eine riesige Tüte mit Medikamenten zusammenpacken lassen.
Dann noch zu Hofer. Ich hatte unheimlich Lust auf ein Gericht, doch dieses gab es nicht im Sortiment. Unruhig und vor allem unzufrieden insgesamt zweimal ums Kühlregal schleichen. Letztendlich entschied ich mich für einen Tiefkühlstrudel mit Topfen, von dem ich 90% verspachtelte. Was NICHT geplant war!!! Und genau aus DEM Grund bin ich beim ersten Mal daran vorbei gegangen.
Dann war mir schlecht. Geschah mir recht und mein Gewicht KEIN Wunder. Und dass das nette Abführmittelchen vom Hausarzt NICHTS in Bewegung setzen würde, war mir von vornherein klar. DAS ist eben Kortison, wie es leibt und lebt...
Simona ruft abends noch an. Neuen Termin vereinbaren und dann noch fragen, was von dem Hämatom auf dem Spann und den neuen Schmerzen zu halten sei: „Das klingt nicht gut...“, befand sie. Kühlen, Quark drauf oder wie ich vorschlug, mit Hirudoid-Salbe dagegen angehen. Dienstags wird sie dann ihr geschultes Auge drauf werfen können und ich mich schon mal darauf vorbereiten, einen der 100er -Scheine von meiner Mutter zum Geburtstag für den Sportarzt bereit zu halten.
In der Post die Aufstellung der Krankenkasse für den Zeitraum des zurückliegenden Jahres -welche Leistungen erbracht worden waren.
HOLLA DIE WALDFEE!!!
Ließ Sebastian raten: „Na, wenn du schon SO fragst? Dann sicher 10.000 Euro.“.
HA!
27.500 Euro und 35 Cent.

Tablettenjungle


Kein Wunder, wenn mich die Krankenkasse nicht leiden kann. Wovon ich ja mal ganz sicher ausgehe.

Nun den Kaffee machen. Der Gaumen staubtrocken.
Schmeckt nicht.
Kopfschmerzen.
Überdreht, gut gelaunt -von einer nun doppelten Dosis Antiepileptika.  Geht soweit, dass ich nach Hause komme, die Glotze anschmeiße, „Sheldon“ sehe und anfange zu kichern. Das ist ja kaum noch „auszuhalten“.
Vom Kaffee wird mir noch übler, der Gaumen lässt sich einfach nicht befeuchten.
Eindeutig: ZU früh aufgestanden.
Bin ruhig.
Für meine Verhältnisse ZU ruhig für einen hinter mir liegenden Tag OHNE Malen.

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15. Oktober 2011, Samstag 3:45, Vorletzter Tag am letzten Tag...

Abschluss und hoffentlich morgen SCHÖN lange schlafen. Mich wieder durch die halbe Nacht geprügelt, ins Bett gemacht (im Traum)... Folterblase. Wo kommt das ganze Wasser her?
Blöde Frage! Aber ich hab doch gar nichts eingenommen!

Vierter Tag:
Ankunft um 8:15. Die Strecke schön ruhig. Bis auf einen Dauerdrängler und einen Vollidioten: Die Fußgängerampel grün, die für den Verkehr rot. Anhalten. Kinder passieren den Zebrastreifen. Ein paar Nachzügler wollen noch über die Straße, obwohl die Ampel soeben umschaltet. Kommt da dieser eben erwähnte Idiot und fährt haarscharf an den Kindern auf dem Fußgängerüberweg vorbei -weil ER ja GRÜN hat. Die Kinder schütteln den Kopf, ich schüttle den Kopf, und wir allesamt werfen ihm böse Blicke hinterher. Ich sag ja: Vollidiot!
Ansonsten unspektakulär und viel angenehmer als die Standardstrecke.
Klo und Spiegelcheck: Rot gefleckt und hässlich.
Jener im Lift lieferte schon dasselbe Ergebnis -mit der Bonuserkenntnis, dass ich total FETT bin!
Vor der Abfahrt dreimal umgezogen.
Sebastian im Auto nicht ertragen- er redete einfach zu viel.
„Meine Toleranzschwelle ist heute SEHR niedrig, nicht dass du dich dann über mein Verhalten wunderst!“.
Mich in meiner Besenkammer umsehen. Nein, die Steckdosen, die ich gesehen hab, habe ich wohl heute Nacht nur dort an die Wand geträumt. Verwirrend.
Nur nicht vergessen, wegen dem Drehen im Krankenhaus zu fragen. Doch WER fühlt sich dann dafür zuständig? Morgens noch die „Wiener Zeitung“ durchforstet. Wo war mein Artikel?
Enttäuschung und nochmals die Mail überprüfen: Ah! Erst morgen, am 15. Oktober!! Morgen früh gleich auf die Homepage linsen, gespannt, was er geschrieben hat. Hab ich den Text doch bereits in einem Traum verarbeitet und dieser führte zu keinem guten Ergebnis. Nein, wurde eher zum Albtraum. Und immer die Bedenken, er könnte etwas über meine Eltern geschrieben haben, was ich ihnen dann nicht unter die Nase halten kann.
Was sicherlich auch ein Grundsatzproblem für den Film werden wird. Aber wie daran vorbeikommen, wenn es doch zu meiner Geschichte gehört?
Gestern im Supermarkt: „Markiere ich nun nur, um das Kortison zu bekommen? Strenge mich beim Gehen einfach nur nicht an?“.
Sebastian: „Jetzt fängst du auch noch an diesen Scheiß, den dir alle erzählen, zu glauben. NEIN! Das ist definitiv NICHT so!“.
Die Gesichtshaut spannt, ein Kleinkind schreit und wieder wenig los im Warteflur. Ich ertrage das Gekreische nicht, wünschte die Tür wäre zu. Und wieder: SO über Kinder nachdenken?
Die letzte Randbemerkung, die Sebastian dieses Thema betreffend von sich gab, schmerzte. Talkshow und Diskussion über die Diskussion: „Jeder soll machen, was er will. Aber mit 60 noch Vater werden finde ich dem Kind gegenüber nicht ganz fair.“, meine Meinung dazu.
Sebastian mit ein wenig Härte und auch Verbitterung in der Stimme: „Besser zu SPÄT Vater werden, als NIE!“.
Autsch! Wie oft ihm noch sagen, dass er dann gehen soll? Dieses Thema findet einfach keinen Abschluss...
Der Hintern schmerzt, der Ischias meckert und ich warte und warte und hoffe, dass ich morgen dann erst später kommen muss, da es ohnehin wieder STUNDEN dauern wird, ehe irgendetwas geschieht. Wochenende eben. Ob Tina sich das wirklich komplett antun oder tatsächlich mit einem Bus nach Hause fahren wird?
Das Kind wimmert nun und ich bin selbst entsetzt darüber, dass ich kein Mitleid empfinden kann. Nur blanke Entnervung darüber, dass die Kopfhörer mich nicht komplett abzuschotten vermögen.
Wie SCHLECHT ich sein muss...
Alles dem Kortison geschuldet?
Ich weiß ja nicht.
Einmal demonstrativ durchschnaufen. Wie gerne würde ich die Tür schließen. Aber was denkt man dann über mich, da draußen im Warteraum, direkt vor eben dieser? Musik lauter machen keine Alternative, dafür ist der Kopfschmerz zu heftig.
Und irgendwie stinke ich...
Die Augen zum x-ten Male verdrehen:Was muss ich für eine schlechte Mutter abgeben? Aber auch nicht den kleinsten Funken von Kinderwunsch in mir. Nirgends! Und dieses: „Ach, süßes Baby!“, zu diversen frischgebackenen Mamis auch wieder nur irgendwie geheuchelt. Eigentlich interessiert es mich nicht.
Mir den Kopf halten, der Nacken verspannt.
9:00
Infusion hängt.
Wegen dem Filmen fragen.
„Ich hab gar keine Ahnung, wer dafür zuständig ist und wen ich da fragen kann...“.
„Na, dass sie andre Patienten nicht filmen darf, ist klar. Ist eben fraglich, wo ich morgen sitzen werde...“.
„Wir haben ja noch zwei Stunden Zeit, das herauszufinden, ich werde mal die Schwestern fragen. Licht aus?“.
Ich mit verkniffenem Gesicht: „Nein, aber bitte die Tür zu machen! Danke!“.
Sie meinte zuvor, das Kind würde ein EEG bekommen: „Da mögen die Kleinen nie stillliegen und dann schreien sie.“.
Pochen oder doch Stechen? Der Schmerz in den Füßen lässt sich nicht einsortieren.Was wird Simone sagen?
Und werde ich nächste Woche wieder versuchen, zu laufen? Ein bisschen?
Je länger ich über morgen nachdenke, desto eher glaube ich nicht mehr daran, dass das etwas mit ihr wird. Und DESWEGEN ist sie runter gefahren?
Weintrauben und für den Nachmittag Entwässerungstabletten einplanen. Dafür, dass das Abführmittel doch noch wirkte, darf ich wohl 10 Mal den Boden küssen -WIE gnädig!
JA, ich STINKE! Oder zumindest IRGENDETWAS an mir. „Küchenschweiß“, wie ich diesen Mief gerne nenne: Eine Mixtur aus Schweiß und Küchengerüchen...
Kurz vor 10:
Kann nicht mehr aufrecht sitzen und würde mich so gerne hinlegen. Austesten, ob die Kabelei und der Schlauch reichen...
Dabei die Bildschirmhelligkeit so weit runterschrauben, dass er schön den Akku schont...
11:12
Fertig.
Nur noch warten auf das Freizeichen für die Filmaktion. Es dauert, denn keiner weiß so recht, wer zuständig ist. „Den Chef fragen!“, Hedi zur umherirrenden Turnusärztin. Nebenbei erwähnt der Warteraum zum BERSTEN mit Menschen vollgestopft. Wieder die Frage in den Raum stellen: Gab es irgendetwas gratis?
Chef gefragt: „JA, wenn aber WIRKLICH NUR SIE auf dem Film zu sehen sind!“. Hedi warnte noch die Neurostation vor, damit diese Bescheid wissen.
Fahren. Vorbei am Hofer, vorbei am Burgertempel, weiter, immer weiter. Um dann kurz vor der entscheidenden Abzweigung bei einem Supermarkt zu halten, das köstliche Vollkornbrot und drei Kornspitz ergattern. Das die Süßwaren hier im letzten Gang zur Kassa angelegt waren, nicht sonderlich nett. So hüpften noch zwei Tüten Fizzers in den Korb, gefolgt von einer 3er -Packung Schokoriegel. An der Kassa in die Schlange eingereiht. Immer noch nicht glücklich. Der Blick wanderte sondierend übers Kassensortiment an kleinem Süßkram. Wanderte sodann aber wie magisch angezogen eine Etage höher zu den Rasierern.
Der Blick pendelte: Schokoriegel, Rasierklingen, Schokoriegel, Rasierklingen...
Hab ich die letzten Tage ZU viel über dieses Thema nachgedacht, zu viel geredet?
Gehen, einen Kornspitz auspacken und auf den Schoß legen, um bei der Fahrt essen zu können.
Es folgten noch einige irrwitzige Überholmanöver, sonst konnte man die Straßenlage als ruhig bezeichnen.
Meine Augen ein wenig angepisst, dezent mit einem Schleier benebelt und der Brustkorb schmerzte vom Liegen. Eine DER Nebenwirkungen, die ich wieder vergessen hatte.
Zu Hause erster Anruf: Sebastian abholen.
Zweiter Anruf von Tina: „Bin soeben angekommen!“.
Sofa, zweiten Kornspitz und mich FETT fühlen. Jeder Gang zum Spiegel wie russisches Roulette! „Finger weg!!!“, wie jedes Mal -ein Vorhaben, das zum Scheitern verdammt ist. Bescheuerte Steroidakne. Jede einzelne Pore im Gesicht entzündet. Und so vor die Kamera? Urgs...
Sebastian nach Jennersdorf jagen, um die Rezepte und letztendlich auch das bestellte Kortison zu holen. Währenddessen traf Tina ein. Das Haus noch so einigermaßen auf „Vordermann“ zu bringen, war natürlich Pflichtprogramm. Sie legte gleich voller Enthusiasmus los. Erstaunlich, die Energie dieser Frau. Und merken, wie ich mich immer mehr vor der Kamera zu verlieren beginne. Einfach aus dem Nähkästchen plaudere, ungeschönt, knallhart und ohne noch so morbide Details auszulassen.
Wenn DAS meine Mutter zu hören bekommt!!!
Nach ein paar Stunden: „Sag mal, ich nerve mich selbst mit meinem Geschwafel schon längst, geht es dir nicht auch so?“.
Kopfschütteln und lauter neue Ideen, für ungewöhnliche Kameraeinstellungen. Und ich denke wahrlich, SO intensiv wie jetzt, durfte ich noch nie über meine Bilder und den Sinn dahinter nachdenken. Wer weiß, vielleicht führt es noch irgendwo hin. Versinke immer wieder in Schweigen, denke nach, oder denke einfach nicht mehr und sie hält mit der Kamera einfach drauf.
Ich wusste nicht, dass ich kleiner Wicht so „interessant“ bin/sein könnte.
Bin ich das denn?
Es wurde später und kurzfristig wurde über die Idee nachgedacht, dass sie hier übernachten könnte. Was ihrem Mann das frühe Aufstehen und hierher Kutschieren ersparen würde. Doch er zeigte sich dann beim Anruf unerwartet bereitwillig, dies für sie zu tun und somit war das Thema auch abgehakt.
Nach 18:30 traf ihre Freundin ein, über die sie auch vor Zeiten einen Film gedreht hatte: „Die Marilyn Monroe von Hirzenriegel“. Noch mehr interessante Menschen kennenlernen. Vor allem allesamt so offen und gesprächig. Das war auch das Erste, was Sebastian an ihr aufgefallen war.
Die beiden machten sich dann auf den Weg zur Therme, abspannen und die Fahrt mit Sauna und Thermalwasserbädern aus den müden Knochen zu kurieren.
Essen.
Warum schon WIEDER essen?
Drei Scheiben Vollkornbrot mit Fisch.
WARUM?
Ausgelaugt, erschöpft, kaputt und zu nichts mehr in der Lage: Augen zu und den vorletzten Kortisontag „Kortisontag“ sein lassen.
Bei den Aufnahmen vorm Rollstuhl sollte ich mich mit der Frage auseinandersetzen, ob ich mich darin vorstellen kann oder ob ich es verdränge.
Nein, ich KANN es nicht. Will es nicht?

4:15
Noch so unendlich früh -blöde Blase!
Ein Krug Wasser muss sich noch ausgehen.
Und dann wahrscheinlich noch ein Kaffee.
Duschen sollte ich auch, sonst ertrage ich mich selbst wieder nicht. Und empfinde meinen vermeintlich stark wahrnehmbaren Körpergeruch auch für andere als unzumutbar.
Mal nach dem Zeitungsartikel sehen?
Nix.
4:30
Wasser leer -langweilig.
Ich sollte erst in einer halben Stunde aufstehen... Ächz...
Wieder hinlegen?
4:42
Immer noch langweilig und der Gaumen staubtrocken. Malen? Eine Alternative? Oder eben keine?
Kurz vor 5
LAAAANNGWEILIG!!!
Jedes Mal derselbe Textaufbau und jedes Mal dieselben Nebenwirkungen.
5:30
Zweite Schale Milchkaffee.
6:20
Duschen.


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16. Oktober 2011, Sonntag 8:20, Letzter Tag und danach...

Halsschmerzen. Vom Kortison? Vom Singen? Vom vielen Reden?
Leicht bewölkt, kalt und alle Vöglein sind wieder da: Bergfinken, Stieglitze, Erlenzeisige. Der Eimer mit den Körnern steht bereits prophylaktisch vor der Terrassentür, damit ich das Auffüllen nicht vergesse.
Heilfroh, dass es endlich ein Ende hat. Wieder.
Der Tag -nein: DIE Tage waren zu anstrengend.
Dementsprechend komatös brach ich abends auf dem Sofa zusammen, nicht mehr ansprechbar, nur die Bemerkung, dass es sich anfühlen würde wie 5 Seroquel intus, kam noch schwach aus meinem Munde gekrochen.
Anstrengend. SEHR sogar...
Aber auch schön.

Gestern:
Ankunft um 8, komplett ausgetrocknet.
Die Damen reagieren etwas entnervt auf Tina samt Kamera.
Besonders als die junge Ärztin den Port MEHRfach anstechen muss und es einfach nicht hinbekommt.
Amüsant dabei nur der Spagat, den sie vollführt: „Hören Sie jetzt bitte endlich auf zu filmen?“, unfreundlich zu Tina, und zu mir zuckersüß: „Es tut mir leid, dass ich Sie schon wieder anstechen muss...“.
Ein Schwall Blut ergießt sich über meine Schulter. Warum bekomme ich das eigentlich NIE zu sehen? Bin doch regelrecht SCHARF drauf...
Zum Glück sind wir nun in der Ambulanz und nicht im Aufenthaltsraum und die allgemeinen Bedingungen fürs Filmen sind auch optimal, da keine Menschen im Haus unterwegs sind.
Zumindest nicht, als wir kamen.
Mal sehen, für wie viel Aufruhr die Kamera noch sorgen wird. Beim kurzen Stopp an einer Tankstelle reagierte die Bedienung schon ganz aufgeregt und wurde rot. Putzig.
Ich versuche einfach nur noch, das Ding im Nacken oder vorm Gesicht zu vergessen.
Und eindeutig: Ich REDE zu viel.
Der portable Infusomat meint: 48min durch und noch 297ml verbleibend.
Geschmackssinn: Leb wohl! War schön mit dir!
Tina macht sich nun auf die Suche nach einem Cafe, da das in der Tanke schon nicht klappte. Sie hat die Kamera einfach angesteckt und ich hoffe es kommt niemand, und beschwert sich deswegen.
OH OH OH...
Mein Gangbild!!!
Schlimmer, schlimmer und dann noch am schlimmersten!
Wenige geschlurfte Schritte und die Beine wurden wieder stocksteif. Und kam nicht mehr vom Fleck.
Das hatte ich -meines Wissens nach- auch noch nicht.
Spricht nun die Beidseitigkeit doch eher dafür, dass es KEIN Schub ist??
Ach, scheiß drauf! Nun ist es schon drinnen!
Und heilfroh, dass mir nun noch zwei freie Tage bleiben.
Die junge Ärztin trudelt wieder ein. Ich bedanke mich nochmals, dass Tina filmen kann.
Ihre Reaktion darauf: Sie rechtfertigt/ bzw. entschuldigt sich noch einmal dafür, dass sie die erste Nadel wieder raus ziehen musste: „Aber der Schlauch hatte so einen komischen Knick und der war auch noch so weißlich. Das war mir nicht geheuer...“.
Alles halb so wild.
Je mehr ich trinke, desto trockener der Gaumen.
HEUTE Entwässerungstabletten! Dass ich mich permanent anpinkle- daran hab ich mich mittlerweile gewöhnt.
Morgens 60,6kg.
-1,9°C. Meine Paprika...
Weiterfilmen, Geschmack verlieren.
Kurz vor 10
Angenehme Stille in der menschenleeren Ambulanz.
Eigentlich muss ich schon wieder.
134ml noch.
Und mir schon mal Sätze parat legen für das Telefonat am Montag. Bäh...
Alles ist möglich!
10:20
12min noch. SO schnell war ich schon lange nicht mehr und gerade an einem Wochenende war dies wahrlich nicht zu erwarten.
Ich muss PINKELN!!!!
Der Urin steigt zu Kopf und macht Migräne.
Noch einmal für Unruhe sorgen, beim Verlassen des Untersuchungszimmers. Tina wollte noch Aufnahmen aus dem Raum heraus machen, die Ärztin aber abschließen. Amüsant, wie sich Tina nicht beirren ließ und einfach weiter machte.
In der Wartehalle Platz nehmen auf einem dieser hässlichen 70er- Jahre Stühle und sie umkreiste mich mit der Kamera -10 Minuten? Die unterschiedlichsten Kameraeinstellungen. Einfach nur dasitzen und versuchen, es nicht all zu peinlich zu finden.
Nach Hause fahren, Musik auf Anschlag und immer wieder die Aufforderung, doch mitzusingen. Ja, der Hals sagt Danke!
Auf dem Heimweg bei meinen Eltern halten und diese komplett überrumpeln. Meine Mutter im flauschigen Trainingsanzug, am Umräumen -wie immer. Doch sie ging in ihrer „Rolle“ sofort auf, schleppte stapelweise Fotoalben von mir an und zeigte diese.
Es dauerte.
ÜBER zwei Stunden.
Wie eigentlich immer war es schweinekalt im Wohnzimmer meiner Eltern, ich war erschöpft, kaputt, fror und die Finger wurden blau. Meine Mutter kramte ihren Heizstrahler hervor und so ließ es sich dann auch für mich wieder besser aushalten. Nur es wurde später und noch später und eigentlich hätte ich vor Stunden die Krampflöser nehmen sollen. Ob es nun explizit daran lag, dass meine Beine NOCH steifer wurden?
Zu Hause weiter filmen, Brote schmieren, noch mehr Interviews.
Anschließend holte sie sich diverse Leinwände in die Wohnküche, drapierte diese vor der Arbeitsfläche: „Also zwei würde ich gerne haben, wenn du sie verkaufst.“.
„Du würdest dir das wirklich aufhängen?“, ungläubig die Blutspuren beäugend.
„Na, klar! Ich bin doch selbst Künstlerin!“, lachte sie, als würde das wie selbstverständlich alles erklären.
„Wie viel sind die wert?“.
„Na, die Großen mindestens 800 und die Kleinen...“.
Ich dachte an 200, doch sie fuhr fort: „400 Euro.“.
Noch weiter konnte die Kinnlade nicht nach unten klappen -bereits am Maximum eingerastet.
Und dann kam Petra samt Tochter und Kind ihres Hausmeisters (?), um sie abzuholen.
Herzliches Umarmen, als würde man sich seit JAHREN kennen und auch ihre Tochter total aufgeschlossen und offen, wie Tinas Kleine -kein Vergleich zu mir in diesem Alter!
Ich bin irgendwie noch nicht so recht in der Lage darüber nachzudenken, WELCHE Tragweite all das hier haben wird!
Petra erst aufgeregt: „Ich habe im Mai das Angebot bekommen bei einer großen Ausstellung in Wien als Kurratorin zu arbeiten!!“, und: „Ende Mai möchte ich aber UNBEDINGT mit dir ausstellen!“.
Und dann noch zu Tina: „Meine Freundin (oder deren Freund?) hat eine professionelle Produktionsfirma, sie ist Cutterin und würde das dann machen.“, und: „Ich würde den Film dann schon gerne bei der Ausstellung zeigen.“, und, und, und... Ich SPRACHLOS, Maulaffen feilhaltend.
Als man sich verabschiedet hatte, sank ich erschlagen aufs Sofa.
Und berichtete Sebastian vom Tag.
Tina war meinem Vater nicht geheuer. Er hatte meine Mutter ganz misstrauisch gefragt: „Was will die von ihr? Das ist doch nicht normal, dass man einfach so filmt. Die will ihr doch was andrehen!“.
Tina lachte, als ich ihr das erzählte.
„Das willst du doch nicht, oder?“.
MEIN Vater...
Er hatte sich ohnehin aus dem Staub gemacht.

Nicht wie man es vom Kortisonstandard gewohnt ist -keine Putz- oder Räumattacke.
Ruhig.
Und ans Bild machen.

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18. Oktober 2011, Dienstag 7:45, Ausgebrannt...

Minusgrade und die Grünfinken stapeln sich vor den „Imbissbuden“.
Lebe ich noch? Ist alles verloren?
Kann nicht denken.
Ein Blick runter zum linken Fuß -ein tiefer Spalt zwischen dem ersten und dem zweiten Mittelfußknochen.
Verkümmert.
Gestern:
Schon länger wach, ein Druckgefühl im Magen. Mit den Worten: „Mir ist schlecht!“, um 7:20 das Bett verlassen.
Und um 7:22 fielen mir die um 2:20 eingeworfenen Eisentabletten wieder „aus dem Gesicht“. Ich hatte die Qual der Wahl: Pinkeln und mich dabei ankotzen oder erst kotzen und mich dabei anpinkeln. Entschied mich fürs Hinsetzen und kotzte sozusagen in meine Hand. Dachte, das war es. Musste duschen, ertrug meinen Körpergeruch nicht, war ins Badetuch gewickelt auf dem Weg ins Wohnzimmer, aufs Sofa. Kehrtwendung, das Tuch verlieren und wieder im Klo hängen. „Blut spucken“! Dass ich die Eisentabletten heute Nacht wegließ, eigentlich selbstverständlich.
Und das Sofa für den Rest des Tages nicht mehr verlassen!
Mieke anrufen, dass ich mich überschätzt hätte und diese Woche wohl doch nicht mehr kommen könnte.
Erschlagen danieder liegen, der Körper rebellierte gegen alles, was ich ihm anbot. Und letztendlich gegen alles, was man ihm die letzten Tage angetan hatte. Ein aufgequollenes Mondgesicht im Spiegel nach dem ersten Brechanfall. Korsettgefühl, Rückenschmerzen, spannende Haut.
Wie jedes Mal am Vorhaben, die Finger von der Steroidakne zu lassen, gescheitert. SO schön sah ich auch schon lange nicht mehr aus: „Preiselbeer -Streuselkuchen“! Wie eine „Hardcore -Allergie“. Über Entwässerungstabletten nachdenken -mehr passierte schon nicht damit. Das Abführmittel hatte versagt, die Waage musste ich meiden -purer Selbstschutz!
Heute ebenfalls.
Hitzewallungen und Schweißausbrüche. Den ganzen Tag vor mich hin dämmern und um 8 ins Bett. Immer dieses miese Gefühl im Nacken, dass ich malen müsste. Irgendwie dran vorbei gekommen.
Telefonat mit meiner Neurologin, die genau so wenig Ahnung davon hatte, warum ich anrufen sollte, wie ich selbst. Ob es mir besser ginge.
Nein.
Die Spastiken werden immer stärker und bin nur noch gespannt, was Simone heute dazu sagen wird. Falls sie mich noch wiedererkennt.
Ich könnte, ich sollte, ich müsste... Irgendetwas versuchen, in irgendeiner Form dagegen ankämpfen, doch mir fehlt die Kraft. Aufs Laufband, wieder mit Gehtraining beginnen.
IRGENDETWAS!!!!
Stumm und taub unbeweglich hier in meiner ganzen fetten Pracht hocken und zusehen, wie alles den Bach runtergeht. Und dabei das Gefühl nicht loswerden können, nonstop zu essen.
Das Malen sonntagvormittags war scheinbar zwecklos, ergab keinen Sinn.
Erst beim zweiten Anlauf nachmittags geschah ein „Wunder“ und die Falten erreichten eine noch nie dagewesene Schärfe.
Was hilft es? Seit wann arbeite ich am Bild? Die Hälfte der Tage geht mittlerweile für Pausen drauf.
Ich fühle mich so wertlos. Und die Minusgrade tragen auch nicht unbedingt dazu bei, dass die Motivation in mir wieder zum Leben erweckt werden kann. Klinisch tot. Beim Anblick des Raureifes schmerzen mir die Finger. Beim Gehen stirbt jede Hoffnung, es auch nur bis zur Straße zu schaffen, um ein paar Schritte zu laufen. WIE steif geht eigentlich noch? „Symptomverstärker“ -immer und immer wieder mir selbst einreden, beschwichtigend, beruhigend auf mich selbst einwirken. Die linke Hand -ihres Eigenlebens gewahr geworden- separiert sich immer häufiger vom Geschehen und formt eine Kralle.
Heißes Wasser. Das Abführmittel wohl der „Hippiefraktion“ zugehörig: „He, du Mann. Alles klar bei dir? Kommste mit? Musst aber nicht. Nur kein Stress! Alles easy...“.
Sinnlos.
Alles sinnlos.
Nachher schon wieder duschen, den Herbst komplett verpassen, weil ich nicht raus komme und mich ernsthaft fragen müssen, wann ich mich wieder auf die Waage traue.
Dass ich sonntags eine kleine Fressattacke mit anschließendem Kotzen zelebriert hatte, scheint keine Wirkung aufs Gewicht zu haben. Fett, aufgequollen, hässlich, widerlich, abstoßend.
Immer wieder daran denken müssen, dass nun alle Hemden einen Aufdruck bekommen haben. Und dass es nun hinfällig ist. Genau so sinnlos wie die 8 Kartons mit Laufschuhen im Schlafzimmer.
Zu ruhig bei diesen Gedanken. Für meinen Geschmack VIEL ZU ruhig.
Um mich rum ebenfalls Stille. Sebastians Geburtstag verlief gestern genau so still. Abgesehen von der Tatsache, dass er insgesamt 4 Mal nach Jennersdorf fahren musste, weil er jedes Mal irgendetwas für seinen Kuchen vergessen hatte. Der nebenbei erwähnt zwar lecker war, aber dennoch auch irgendwie misslungen. Highlight war dann der Irrglaube, dass „Sahnesteif“ allein Milch zu Sahne machen würde. Viertes Mal rein fahren, um Schlagsahne zu besorgen. Die dann durch das Pulver und durch zu intensives Rühren mehr Butter als Sahne glich. Egal, alles egal. Schlecht wurde einem ohnehin von diesem mächtigen Gebäck. Statt Ölkuchenteig bestand der Boden seines Obstkuchens aus Sandmasse. SCHWER... Na ja, ich  hatte ja letztendlich auch keine Ahnung, welcher Teig der richtige gewesen wäre. Backen ist mein „Erzfeind“ -macht nur FETT! Oder in meinem aktuellen Fall: Nur NOCH fetter!!!
Ach ja -Einwintern: Die Fische nun wieder im Aquarium. Beim Rausfischen sonntags entsetzt feststellen, dass nun nicht nur EINER fehlte, sondern mittlerweile 3!!! Lediglich ein Großer ist noch übriggeblieben. Rätselraten. Und die ironische Erkenntnis, dass sie nun wenigstens mehr Platz im Aquarium haben. Eingängig die Katzen verhören, doch sie verweigern die Aussage.
Frühstück? Nichts essen?
Müsli? Hungern?

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19. Oktober 2011, Mittwoch 8:20, Allheilmittel: Bulimie...

19. Oktober 2011, Mittwoch 8:20, Allheilmittel: Bulimie...
Kalt.
„Die Schwäche in den Händen hätte zugenommen. Arbeiten am PC wäre aber durchaus möglich.“. Einen der letzten Befunde zitieren.
Klingt wie Ausschlussverfahren. Abgehakt. Hebt sich auf, muss man nicht ernst nehmen.
Das Tippen fällt heute aber sehr schwer.
Ich konnte mir die Haare nicht machen, weil die rechte Hand genau so schwach wurde, wie die linke.
Ist DAS mein kleinstes Problem?
Nachts „endlich“ bekam ich eine Vorstellung davon, wie mein Leben weitergehen kann und ich fing an zu heulen. Alles so hoffnungslos.
Ich hasste mich.
Ich hasste mich den ganzen Tag über.
In Fürstenfeld aus dem Auto gestiegen, blieben die Füße kleben und ich kam ins Wanken.
Simone meinte: „Dann werden wir heute die Beine etwas durchbewegen, gegen die Spastik.“.
„Und? Merkst du da was? Merkst du da eine Spastik?“, wenn meine Ärztin schon NIE etwas feststellen würde, vielleicht nun sie.
Ja, klar. Beide Beine steif.
Danach: „So, geh mal ein paar Schritte und schauen wir, ob es besser geworden ist.“.
Nein.
Das Gegenteil war der  Fall. Wie ein Storch mit Superkleber an den Füßen.
Sie besorgt: „Nein, so kenne ich dich gar nicht...“.
Einige Ratschläge für den Fall, dass ich wieder versuche, zu laufen: Einlagen raus -wenn sie ohnehin nur Schmerzen produzieren- und für den Schmerz Rheumasalbe, da meine Theorie mit dem Nervenschmerz wohl nicht so verkehrt war. Das mit dem blauen Fleck wird sich in den nächsten Tagen zeigen.
Und ob ich nicht mal andre Medikamente ausprobieren will. Da hätten wir noch Sirdalud im Angebot.
Der Weg zum Auto eine Qual: „Tust du mir BITTE einen Gefallen? Sag mir die nächsten Tage mehrmals, dass ich schon oft an diesem Punkt angelangt war und es immer wieder geschafft habe! Tust du das für mich?“.
Im Auto, den alles entscheidenden Fehler machen: „Was willst du zu Mittag?“. McDonalds oder nicht. Er sagte erst nein und ich wollte soeben äußern, dass das wohl besser sei, da ich es ohnehin wieder hochwürgen würde. Doch dazu kam es nicht, er kurzerhand: „Ach, doch! Fahren wir hin!“.
Burger und Pommes.
Zu Hause auf dem Sofa, langsam und mit Bedacht jeden einzelnen Bissen hundertmal durchkauen.
Einen Krug mit heißem Wasser hinterher kippen.
Sebastian schlief ein.
Die Glotze lief in beträchtlicher Lautstärke. Es würde mich nicht hören.
Doch egal was ich auch versuchte, ich bekam den Mist nicht mehr hoch!!!!
Zurück ins Wohnzimmer kriechen und nach Alternativlösungen fahnden. Womit könnte ich meinen Frieden schließen?
Abführmittel Klappe die Zweite und Furosemid zum Entwässern.
Sebastian schlief noch, ich zwang mich ans Bild. Aus Druck wurde Spaß: Ja, ich hatte mich regelrecht darauf gefreut, die Schuhe zu malen. Wenn das immer so wäre!!! Eigenlob stinkt -doch die Lederschuhe sehen gut aus!
Der Computer fing an zu motzen, blieb in einer Tour hängen und schien das Zeitliche segnen zu wollen: „Als mir der Verkäufer den Computer zeigte und meinte, den einen haben sie noch, und da keine Folien mehr drauf waren- da dachte ich schon: Oh, oh, oh....“.
Frust.
Ich konnte nicht weiterarbeiten.
Und die Tabletten hatten ihr Ziel scheinbar erreicht. Zumindest wurde mir wieder einmal schlecht und ich sah mich gezwungen, etwas zu essen.
Das alte Grahambrötchen vom Vortag aufbacken. In mich reinstopfen.
Reichte nicht aus.
Ein halber Apfel.
Nein.
Schokoriegel.
Immer noch nicht.
Eine Schale mit Vollkornflakes.
Wieder: Auf den letzten Bissen herumkauend mich gen Bad bewegen, meinen Wasserkrug im Gepäck.
Diese noch runterschlucken, Wasser hinterher kippen und kotzen.
Funktionierte nicht.
Neue Strategien braucht das Land!
Die Hand in den Rachen schieben, mir war ohnehin noch dezent übel, sodass sich der Brechreiz ohne weiteres provozieren ließ. Darüber nachdenken, wie elend ich aussehen muss, wie ich da über der Kloschüssel hänge, die Knie ans Porzellan gedrückt, um mich umzukippen.
Da war der Apfel. Da das Brötchen und ein paar Pommes.
Es läutete an der Tür.
Abbruch.
Meine Mutter. Brachte den Teller vom Kuchen zurück und stellte fest, ich würde heute schon viel besser aussehen. Ja? Hochrot vor Anstrengung, die Birne am Glühen und der Hals am Kratzen.
Hoffen, dass sie schnell wieder geht.
Zurückkehren.
Da: Burger, Schokoriegel, Flakes.
„Perfekt“.
Schlecht.
Zwei Scheiben vom alten Vollkornbrot. Das „durfte“ ich essen.
Und ich WUSSTE, dass ich mich heute meinem Gewicht stellen muss!!!
„Herzinfarkt basteln leicht gemacht!“, und: „61kg! 61Kg! 61Kg!“ -Dauerschleife im Kopf. Gleich vom Schlimmsten ausgehen. Selbstschutz.
Blinken.
59,3kg.
Und DAS, obwohl der Stoffwechsel bereits vor mehreren Tagen zum Erliegen gekommen ist.
Kunstprodukt -Entwässerung?
Abends 4mg Sirdalud.
Ist es nun besser?
Ist da ein Unterschied?
Hab viel vor, die Laufklamotten schon am Leib, das Handy am Aufladen, um nachher schön laut Musik hören zu können. Auch, um die Signale meines Körpers und die angstvolle Stimme in mir übertönen zu können. Will sie nicht hören!!! Nicht SCHON wieder!!!
Es reichten die Verlustängste, die mich nachts heimsuchten. Nun wusste ich, warum ich so ungern das Haus meiner Eltern betrete: All diesen Krempel, den meine Mutter hortet und anhäuft, zu sehen und mir dabei vorstellen müssen, dass sie all das zurücklassen wird...
Zack!
Augen unter Wasser gesetzt.
Achja, Herbst ist was Schönes!
Nur froh, die Woche nicht mehr zur Arbeit zu fahren. Ich kann einfach nicht, muss mich auf mich selbst konzentrieren -angesichts dieser schwierigen Lage. Dachte drüber nach, fühlte mich schlecht. Aber ich musste damit aufhören, mir zu liebe. Es ist ja kein Schnupfen, den es hier auszukurieren gilt!
Also: Zweite Schale Kaffee und dann aufs Laufband. Frust produzieren.
Die Füße schmerzen. Darüber nachdenken, ob das nun ein Knochenschmerz oder ein Nervenschmerz ist. Mit den Sehnenscheidenentzündungen in den Unterarmen vergleichen. Hm...
Die zweite Schale schmeckt grundsätzlich nicht mehr.
Mir wird eher wieder schlecht davon.
Sebastian ist Frühstück holen. Dabei wollte ich nach dem „Trainingsversuch“ einen Shake trinken.
Die Zähne stumpf und ebenfalls am Schimpfen.
Wie der Hals, dem allein das Kortison schon gereicht hätte.
Pech.
Die Steroidakne fängt an, nachzulassen...

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21. Oktober 2011, Freitag kurz nach 9, Der Sinn des Lebens...

21. Oktober 2011, Freitag kurz nach 9, Der Sinn des Lebens...
Der Morgen begann mit Telefonklingeln. Mieke. Sie hatte mir eine Mail geschickt, ein Protokoll, das ich ausbessern sollte. Doch ich hatte es verabsäumt, in meinen Posteingang zu sehen.
Erst Waage.
HUI!
58,8kg.
Dann mit Kaffee an die Teamprotokolle setzen. Letztendlich dauerte das so lange, dass  ich danach nur noch duschen konnte und wir mussten uns schon auf den Weg machen.

Am Tag zuvor bewirkte das Laufbandtraining von einer Stunde, dass ich essen „durfte“.
Am Bild geschah nicht viel, Besuch kündigte sich an.
Einen MS-Kollegen hatte ich auch noch nicht im Haus. Viele Parallelen wurden entdeckt, zudem hatte sie beruflich Ahnung, was Röntgen betrifft, und sah sich meine Bilder an.
Am Gemälde... Nicht mehr als ein wenig schwarz grundieren.

Und dann eben dieses wunderbare Gewicht gestern morgens hinterher.
Furosemid sei Dank... Scheiße!
Ab nach Oberwart.
Wir unterhielten uns intensiv, über den Besuch gestern und meine Person im Allgemeinen.
„Wie wäre mein Leben verlaufen, wenn ich auch zu einem vorsichtigen MS-Kranken geworden wäre? Wäre es wirklich anders gewesen? Wenn ich alles gemieden und alles sofort aufgegeben hätte?“.
Sebastians Antwort lautete wie folgt: „Das glaube ich nicht. Ich finde gut, dass sich bei dir nicht alles um die Krankheit dreht!“, und: „Ich bin so stolz auf dich, dass du dich immer und immer wieder aufraffst.“.
Letztendlich der Hauptgrund, warum ich so informationsresistent bin: „Ich habe einfach KEINE Lust, so wie andre, NONSTOP über meine MS nachzudenken!“.
Umschwung zum Thema Verletzung. Sandra, mein Besuch vom Vortag, meinte auch, dass diese das Immunsystem immer wieder anheizen würde. Wie meine Psychiaterin zuletzt.
Ich sagte: „Das Problem daran ist, ich sehe keinen Leidensdruck, was das betrifft. Vielleicht ist es eine Art Fetisch... Und ich möchte daran auch einfach nichts ändern!“.
Und er, unerwartet: „Ich finde zwar die Narben hässlich und deine Arme werden auch immer hässlicher. Aber ich bin beruhigt, dass du nicht tiefer schneidest und so ist es mir, wenn man das so pauschal sagen darf, egal. Und ich glaube nicht, dass das der Grund dafür ist, dass sich deine MS immer wieder meldet.“.
Sandra hatte mir eines klar vor Augen geführt: Die meisten MS-Kranken sind Profi auf ihrem Gebiet.
Ich nicht.
Und ich will es gar nicht erst werden!
Sebastian warf mich vorm Krankenhaus raus und fuhr zu diesem monströsen Einkaufszentrum. Ich machte mich auf den beschwerlichen Weg ins Gebäude. Drei ältere Herrschaften kamen mir entgegen und ein Mann fragte mich, wie ein Opa, in kindlicher Sprache: „Auwehh! Was ist denn da passiert?“.
Und ich musste an unser Gespräch im Auto denken, daran, dass Sebastian zu dem Schluss kam: „Und eben weil sich bei dir nicht alles um die Krankheit dreht, siehst du noch so jung aus. Im Vergleich zu anderen!“.
„Nein, die Beine sind gelähmt, das ist normal.“.
Weiterkämpfen und nun an Simones Worte denken: „Dieses Zahnradphänomen -typisch für eine Spastik!“. Also kein Klonus, sondern nur der eindeutige Beweis dafür, dass das rechte Bein arg in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Ich hatte noch Zeit und klapperte erst die Neuro ab. Elisabeth: „Sie wollen eh nichts von uns?“.
„Nö? Nur meine Kopfhörer.“.
„Ich hab mich schon erschrocken!“.
Ich gespielt beleidigt: „Was soll DAS denn nun heißen?“.
Sie beschwichtigend: „Nein, nein!! Nur weil die Frau Dr. Wiesböck heute wieder nicht da ist!“.
Das Klo im zweiten Stock nutzen. Klopapier alle. Und an den Krankenhauslivebericht von 2008 denken müssen: „Und wie selbstverständlich räume ich das Klopapier nach, ganz so, als würde ich hier wohnen...“. Nicht nur das -auch brav beim Verlassen das Licht ausmachen.
Hoch in den Vierten.
Warten und Obst futtern.
Um viertel 1 war ich dran.
Die Psychiaterin: „Was ist denn mit ihnen passiert?“.
„Mich hat's erwischt!“.
Kam zu dem Schluss, dass ich viel ruhiger als zuletzt war und zeigte sich mehr oder minder zufrieden mit dem, was ich berichtete. Auch sie äußerte ihr Erstaunen darüber, was für eine Kämpfernatur ich abgebe.
„Bekomme ich dann eine Einladung zu Ihrer Ausstellung?“. Ich muss anfangen eine Liste zu schreiben.
Dann schenkte sie mir noch kartonweise Tabletten -sah aus, als käm ich vom Dealer, der Stoffbeutel ging über vor Medikamentenschachteln.
Bevor wir den Heimweg antraten, noch ein Stopp in diesem riesigen Supermarkt. Unfug kaufen.
Dann nach Hause. Das nächste Thema ankratzen: Unsre Beziehung.
Er: „Man kann ja nie wissen, was noch passiert!“.
Das empfand ich als unzufriedenstellend. Und hakte nach: „Was ist dir wichtiger? Ich? Oder der Wunsch, ein Kind zu bekommen?“.
Erst sagte er: „Beides...“.
Überlegte und meinte dann: „Nein, DU bist mir wichtiger!“.
Ich: „Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass wir uns trennen...“.
Und er fügte hinzu: „Stimmt, dafür harmonieren wir einfach zu perfekt. Und selbst wenn wir uns trennen würden, wir wären nicht der Typ Mensch, der sich total verkrachen würde.“.
Endlich fand dieses leidige Thema zu einem für mich beruhigenden Abschluss.
„Wenn nicht, dann soll es eben nicht sein!“.
Milchreis, Sofa, zu müde... Es regnete wieder und die Leinwand schien keine Macht mehr über mich zu haben.
Meine Essstörung SEHR wohl! Ich hatte doch noch wunderschönes Roggenvollkornbrot gekauft und wollte abends eigentlich noch etwas davon essen.
Mich vom Sofa schmeißen, rein in meine Sportsachen und rauf aufs Laufband. 49Min, 3,3km und 250kcal.
Wieder unten, den nun gewonnenen Lebensgeist nutzen, und eine weitere Partie am Bild grundieren. ZUM GLÜCK! Denn hätte ich damit erst heute begonnen, müsste ich zwangsläufig nach dem Arbeitsschritt wieder eine lange Pause einlegen.
Auf dem Sofa einschlafen.
Ich HÄTTE nichts mehr essen müssen.
Ich HÄTTE doch gar nichts mehr gebraucht.
Doch das schöne Brot, das doch noch so knusprig war...
Und eine Scheibe nach der andren verschwand in meinem Mund. Zumindest war ich danach wieder so wach, dass ich unser Abendprogramm komplett „miterleben durfte“.

Und nun?
59,6kg.
Vor dem Klogang.
Und die Erkenntnis, dass die Anämie nicht zu 100% auf meine Kappe geht! Die Spirale trägt entscheidend dazu bei...
Zähneputzen, dann Laufband, anschließend duschen, aufräumen und nach dem Essen malen.
Gut durchdacht -auch einzuhalten?


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22. Oktober 2011, Samstag 8:10, FETT!!!....

Alles nur eingebildet! Alles nur Schein! Und ich weiß ganz genau, dass ich mir bei meiner seltsamen Blutgerinnungsproblematik die Entwässerungstabletten eigentlich NICHT leisten darf! Aber es lädt förmlich dazu ein.
60,2kg.
ARG...
Und das, obwohl mein Stoffwechsel soeben dabei ist, das Versäumte nachzuholen.
Pech.
Fettes Schwein!!!
Der Bauch -oder sollte ich sagen meine WAMPE- ragt weit hervor, wie bei einer Schwangeren. Aufgeblasen, aufgedunsen, widerlich.
In meinen Träumen habe ich längst wieder mit dem Training begonnen. In meinen Träumen laufe ich, jede beschissene Nacht! Es fällt schwer, doch ich kann es. Und ich muss gestehen, allein schon angesichts dieser Gewichtskatastrophe juckt es mir förmlich in den Fußsohlen. Wann ist der beste Zeitpunkt? Wie? Und vor allem WO? Saukalt ist es, müsste mich warm anziehen und riskieren, gleich mehrere Klamotten kaputt zu machen. Wie weit glaube ich zu kommen? Ernsthaft???
Nächste Frage: Esse ich denn so viel?
Der entwässernde Grüntee fehlt.
Wieder eine Stunde auf dem Laufband und danach kaum noch in der Lage, die Treppe runter zu gehen.
1 Stunde, 4,2km und 320kcal. Letzteres angeblich, sei dahingestellt.
Liegt es an den Eisentabletten? Mich würde nicht wundern, wenn ich nach dieser Periode wieder eine Anämie hätte. Und man bekommt fast Lust, diese scheinbar vorhandenen Blutmengen anderweitig für sich zu nutzen. Ein bisschen...
Nach dem Mittagessen Bild, Glotze, Bild, Glotze, Bild, Glotze...
Malen, trocknen lassen, malen, trocknen lassen, malen...
Dazwischen immer wieder die Pinsel mit der speziellen  Reinigungsseife auswaschen.
Spontane Planänderung. Das Bild bekommt ein anderes Gesicht. Tja, die Thematik verändert sich eben wieder. Und das, worum es geht, ist längst gestorben. Vielleicht deswegen der sich nun zuziehende Vorhang.
Die Augen immer noch weiß und tot. Probleme mit den Details im Hintergrund, bzw. deren Perspektive -hätte ich mal früher dran gedacht und den kleinen Schrank neben mich gestellt, als wir das Foto machten. Doch mein Hirn rattert unentwegt und sucht nach Alternativlösungen. Und spontan fällt mir schon etwas ein -zwar nicht die Schrankproblematik betreffend, aber einen Weg, den der Hintergrund noch einschlagen könnte. Und nun wohl auch wird. Das Thema kann nun -mit dem Vorhang- aktuell bleiben. Wenn ich genauer darüber nachdenke. Denn nun ist es nur noch eine Erinnerung an das, was mal war.
Perfekt.
Hab ich dann abends schon wieder zu viel gegessen?
War das Roggenbrot DOCH nicht mit Vollmehl?
War das Mittagessen ZU salzig? Dachte, nach dem „Sport“ würde ich mir statt Eiweißshake mit Rührei einen Gefallen tun. SCHEINBAR NICHT!!!

Hel fliegt vorüber. Treibt sich nun häufig auf unsrem Dach herum.
Mich durch meinen Tablettendschungel kämpfen. Und für einen Moment an dem Wort Dschungel scheitern...
Raureif. Die Blumen, die ich fürs Bild noch brauche, sind in Gefahr.
Sebastian fährt einkaufen. „Ich bin so FETT!!!“.
Er: „Ich schlussfolgere daraus, dass ich mich selbst versorgen soll.“.
Guter Junge!

Hm...
Laufband?
Oder es wagen?
Oder morgen? Und warten, bis es etwas wärmer geworden ist? Und mich dann einfach wieder einsammeln lassen?
Hü oder Hott?
Seufzen...
Nein, eher stöhnen...
An mir runter sehen. Mich nicht leiden können. Ich sollte das weite Laufhemd anziehen...

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23. Oktober 2011, Sonntag kurz vor 8, Tag der Entscheidung?...

Die Terrasse wird zur Meisendisco umfunktioniert. Sie hüpfen über den Klinkerboden, an den Ziegelsteinen, in den Topfbäumen, am Türrahmen und am Fliegengitter hängen sie. Eine Invasion!
60,4kg.
Die linke Hand hat ihren Betrieb eingestellt. Eine Faust. Mal vorsichtig anklopfen: „Hallo?“.
Zieht sich wie eine Schnecke noch mehr in sich zurück. Sinnlos.
Hinnehmen. Weil da ja NIE was ist und der schleichende Verfall zwischen den Zeilen nie ernst genommen wird.
Pech. Wie immer.
Hab den Fehler gemacht und österreichische Nachrichten gesehen: Die Sonne soll uns heute verwehrt bleiben, nur im Westen kommt sie zum Vorschein. Aber KEIN Regen. Wage ich es?
Außerdem bin ich nun voll im Bilde darüber, was in der arabischen Welt abgeht. ARTE sei Dank.

Laufband: 71min, 5km und 380kcal. Neuen Rekord aufstellen. Mich toppen müssen. Wie immer. Danach wortwörtlich im ARSCH! Und doch! Ich MUSSTE putzen. Ich MUSSTE das Haus auf Vordermann bringen, um anschließend malen zu können/dürfen.
Nach dem Danach konnte ich nicht mal mehr aufrecht sitzen. Aber das kennen wir ja schon. Musste nur mir selbst Fragen gefallen lassen, wie: „Musste das schon wieder sein? Wie willst du dann morgen laufen?“.
Hm. Und irgendwie auch nur eine weitere Flucht vor dem Bild, vor wichtigen Entscheidungen. Welche Farbe wähle ich für den Himmel? Blau würde sich mit den Vorhängen beißen.
Erst mal Mittagessen. Eiweißshake und Obst. Während Sebastian einen Teller mit Vollkornnudeln verdrückte. Mich kasteien... Für 200g!
Nein eigentlich 400, wenn man die Vorher- und Nachherergebnisse von eben berücksichtigt...
Also 60kg.
Es dauerte. Wieder ZU lange. Doch ich konnte erst nicht sitzen.
Doch dann... Dasselbe Prozedere wie am Tag zuvor, nun einmal in anderem „Gewand“: Sofa, Bank, Sofa, Bank, Sofa, Bank... Hintergrund und dann abends noch die Grundierung vom Stuhl. Immer noch keine Antworten auf meine Fragen: Wohin mit dem Schrank? In welchem Winkel? Welche Perspektive?
Spontan eine neue Idee, als ich in den Kartons mit den Leichenteilen wühlte. Vielleicht eine Lösung, eine Alternative zum Schrank. Obwohl dieser doch noch was ganz andres zum Ausdruck bringen sollte. Vielleicht zumindest die Tür hinten in den Himmel installieren? Und die Knochen statt auf den Schrank zu legen, von der Decke hängen zu lassen? SCHÖN morbide! SO mag ich es!!
Die Augen immer noch weiß, KALT, tot.
Erst den Stuhl? Dann der Feinschliff an den Umrissen und den Haaren? Gefolgt von der „Raumdekoration“? Die Augen vielleicht wirklich erst als krönender Abschluss?  Notfalls noch einen Topf mit Astern kaufen.
Und irgendwie immer noch nicht zufrieden mit dem Gesicht. Die Augen sollten diesen Missstand aufheben können. Hoffe ich. Sonst bleibt mir nun so ohne Messrahmen nur noch ein Direktvergleich am Bildschirm.

Die Wolkendecke bricht auf, auf Weiß-grau zeichnen sich blaue Flecken ab.
Mein Stoffwechsel war gnädig. Zumindest dieser wird mir nun nicht mehr im Wege stehen. Das übernehmen dann meine Beine und werden sich gegenseitig hindern. Im Haus sieht es ja noch ganz passabel aus, was ich da gehend abliefere. Aber IN Schuhen und kaum vor der Tür: Ein Fiasko!
Angst vor dem Kampf unsren Hohlweg runter.
Angst vor den 100m die Straße runter und an unsren Nachbarn vorbei, bis ich im Erlenwald abtauche und man mich nicht mehr sehen kann. Und dann? Welche Illusionen mache ich mir eigentlich? Glaube ich ernsthaft, dass ich vom Fleck kommen werde? Und wenn ich es tatsächlich schaffen sollte -was, wenn ich dann zusammenkrache? Mich nicht mehr bewegen kann? Erst nach 1,1km habe ich wieder Handyempfang.
Aufhören zu denken. Mich mehr mit der Frage auseinandersetzen: Jetzt oder erst später? In dem Glauben, dass es noch wärmer werden „könnte“?
5,3°C.
Pulli? Jacke? Lange Hose?
Blick nach rechts aus dem Fenster: Der Wald errötet. Und das sieht doch ein wenig nach Sonnenstrahlen aus.

Im Traum war Kolga wieder da und ich konnte endlich wieder reiten.
Deprimierend.
Tja, wenigstens das Wetter scheint mir wie so oft -gegen die Regeln der Meteorologie- wohlgesonnen zu sein. Bei uns kommt das schlechte Wetter immer mit einem halben bis ganzen Tag Verspätung an. Noch ein bisschen warten. Und erst dann alle Hoffnungen und Illusionen zerschlagen... Im besten Falle noch mit „zerschlagenen“ Knien und Ellenbogen.

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24. Oktober 2011, Montag 5:22, Der Tod...

Der Tod.
Ein Wandersmann.
Beinah unheimlich, wie er sich Stück für Stück die Straße „hocharbeitet“.
Eine Schwere macht sich im Gemüt breit.
Dazu Regen...

60,4kg.
Von noch katastrophaleren Werten ausgehen. Mich fühlen wie mit 64. HA! Wo ist da noch ein großer Unterschied zu finden? Den kann man lange suchen!

Es dauerte beinah eine halbe Stunde, ehe ich unten an der Straße angekommen war. Ständig musste ich irgendetwas suchen. Und mir überlegen,was mir wichtiger sei: Nicht umknicken oder Stabilität im Fuß.
Punkt 1 erschien mir auf lange Sicht gesehen „bedeutender“. Ein Bänderriss und die nächste Pause würden mir 
dann wohl endgültig das Genick brechen. Beides ging leider nicht, so viel Spielraum ließ der Schuh nicht zu. Ich wählte also die Schiene, die ich beim Bänderriss verpasst bekommen hatte. Zu diesem Zeitpunkt fühlte ich mich noch gar nicht SO fett. „Lass den Schlüssel stecken! Ich komme gleich wieder zurück...“, und torkelte unsre Einfahrt runter, den linken Fuß nachschleifend, der rechte am Zittern. Humpelte die 100m bis zum Wald, schnaufte einmal tief durch, warf ein gutes Lied an, donnerte die Lautstärke hoch und setzte mich in Bewegung. Die erste Rückmeldung, die von den Beinen im Hirn ankam, war: STEIF!!!!!
Und noch steifer. Stocksteif!
Bewusst atmen und versuchen, die Spastik wegzuatmen. Denn schließlich lief ich ja noch. Es funktionierte. Irgendwie. Kurz. Nach 1:30min die erste Pause. Aber, HEY, ich war gelaufen! Pause. Weiter. Die  nächsten 1 ½ Minuten. Es fing an zu regnen. Soviel zum Wetter. „NEIN, das wirst DU mir nicht verderben!!“. Weiter. 2 ½ Minuten. 2 Minuten. Wieder nur eine Minute. Und so weiter und so fort. Ich meinte, die Beine würden sich etwas entspannen, leicht lockern. Bis zum Milchbauern. Dann stand plötzlich ein kleiner, dicker Foxterrier hinter mir. Ich hätte ihn nicht begrüßen sollen. Kaum Kontakt aufgenommen, klebte er mir an der Backe. Bzw. an den  Füßen. Und er lief brav neben mir her, als hätte er NIE etwas andres getan. Wenn ich pausierte, hielt auch er. Befand es nach einer Minute als langweilig, stromerte kurz im Wald herum, bis ich wieder loslief -schon war er wieder treu an meiner Seite. Beifuß sogar.
Zum Handy greifen: „Sebastian? Ich hab einen Hund bekommen!“.
Was sollte ich tun? Ratlos. Der würde mir bis Jennersdorf folgen. Hier trieben sich häufiger Hunde rum, also ging ich davon aus, dass er auch hier irgendwo zu Hause sein müsste. Mir kamen die neuen deutschen „Nachbarn“ entgegen, hielten und die Frau fragte mich: „Ist das dein Hund?“.
„Ist das nicht eurer?“. Der Milchbauer hätte sie gestern schon angerufen und gefragt, ob der ihnen gehören würde. Kurzes Überlegen, was wir machen könnten. Sie stieg aus: „Nein, bis Jennersdorf kann er nicht mit, das ist viel zu gefährlich.“, und zu ihrem Mann: „Ich gehe nach Hause und nehme ihn mit.“, um dann beim Gnadenhof oben auf dem Hügel anzurufen. Tja. Doch er wollte nicht. Ich war nun mal eben ZUERST da.
Ich blieb lange stehen, was ihn  ja gelangweilt hatte, ehe er ihr folgte.
Das lange Stehen war mir nicht wohl bekommen. Es lief nicht mehr. Nur in Minutenhappen. Bereits im Wald hatte ich schon die gelben Fähnchen am Straßenrand gesehen und am Waldende, bei der Kreuzung, ein weißer Pfeil auf dem Boden, der in Richtung Berg zeigte. Das sah verdächtig nach Stadtlauf aus. Im Dorf angekommen wurde diese Befürchtung zur Tatsache: Straßen gesperrt und ein Team soeben am Aufstellen des Start- und Zielpunktes. So ein aufgeblasenes Tor, es stank nach Kinderfüßen und Hüpfburg. Hatte es mir doch extra so ein geteilt, dass ich kurz vor all den Menschen pausierte, um auf jeden Fall an ihnen vorbeilaufen zu können. Faszinierend, wie der Kopf ZU machen kann! War wohl ZU sehr damit beschäftigt, mir selbst einzureden, dass ich da vorbei muss und mich dabei zu sehr unter Druck setzte. Je mehr ich es wollte, desto steifer wurden die Beine und ich musste prompt NEBEN dem Tor halten. Wollte mich nun gehend aus dem Staub machen. WAS für ein Kampf. Kriechend wäre ich schneller gewesen. Und wie immer kam ich mir SO UNENDLICH DÄMLICH vor. Es war mir dermaßen peinlich, dass ich wohl rot anlief. Hatte ich zu Beginn des Laufes nicht festgestellt, dass ich mich nun mit meinem doppelten „Krüppelstempel“ auf dem Pulli viel sicherer fühlen würde, weil diese Knieschützer und Laufstil erklären müssten??? Alles Schall und Rauch. Und überall liefen irgendwelche „Sportler“ herum, schöne, schlanke Menschen mit Sporttaschen. Und ich Nappel stand da und kam nicht mehr vom Fleck. Die Blicke förmlich spüren, bohrten sich in mein Fleisch.
Mich wieder in Bewegung setzen. 50 Schritte. Wenn überhaupt. Pause und am liebsten hätte ich mich spätestens JETZT in Luft aufgelöst. WARUM musste ich VOLLIDIOT auch da lang laufen? Weil das MEINE Strecke ist? Diese schön gerade ist, der Asphalt „unbedenklich“ und ich hier immer am besten laufen konnte? Ohne mich all zu sehr auf den Boden konzentrieren zu müssen?
Ein Stückchen vor, auf die Uhr sehen. Würde ich nun zurück zur Kirche rennen, wären zumindest die 5km voll. Sebastian anrufen. Dann eben den Rückweg antreten. Und erneut versuchen es mir so einzuteilen, dass ich an diesem scheiß Ding vorbeikommen müsste! Wieder: „Nein, nein, nein, nein, das machst du jetzt NICHT! Reiß dich zusammen! Lauf!!!“.
Und irgendwie schaffte ich diese Hürde nun. Doch als ich vor der Kirche zum Stillstand kam, konnte ich nicht mehr gehen.
Ich wäre SO gern dankbar dafür gewesen, dass ich noch laufen „kann“. Aber es fiel mir so ungemein schwer...
Und die Lust, mich selbst ein bisschen mit der Rasierklinge zu „verwöhnen“, stieg und stieg.
Warum nicht?
Weil Sebastian nach dem Essen ums Haus lief und ich keinen Platz hatte, wo ich allein und ungesehen meinen Dingen nachgehen hätte können? Und weil er ständig ans Fenster klopfte, um mich in seine Gartengestaltungspläne mit einzubinden?
Das Bild musste reichen.
Anfangs keinen Plan, welches Schema ich mit welcher Technik verfolgen sollte. Es ist nun mal ein weißer Stuhl, das bietet nicht all zu viele Höhepunkte.

Nun sitzt Fine vor der Tür. Es regnet in Strömen. Diese beschissene „Scheißhausfliege“ (und so nenne ich sie nur, weil sie dermaßen Lärm macht und nervt) folgt mir in die Vorratskammer, wo die offene Tüte Katzenfutter steht und sie anlockt und ich kann sie darin einschließen. RUHE...
War Martha im Dunkeln zuvor auf die Pfote getreten und dieses verschreckte Tier war dermaßen beleidigt, dass sie Angst vor mir hatte. Diesen Zustand ertrug ich nicht und ich musste es wieder gut machen. Bzw. das erste Erlebnis mit einem viel schöneren überwiegen und in Vergessenheit geraten lassen. Und das geht mit nichts besser als eben mit Feuchtfutter!

Der Stuhl. Es ergab sich wie immer von selbst. Mit ein wenig Geduld. Fertig wurde ich nicht, meine Mutter rief an: „Ich habe einen braunen Fleck auf der Hand bekommen und weiß nicht woher. Und die Oma (ihre Mutter) hatte das auch und nannte das dann Totenflecken.“.
Ich wusste erst nicht, worauf sie hinaus wollte. „Weißt du, wer gestorben ist?“. Achso. „Vorahnungsflecken“. Ich träume von Todesfällen und meine Mutter samt ihrer Mutter bekommen also diese Flecken.
Es war ein erfolgreicher Tag für den Tod.
Erst erzählte sie von diesem Motorradfahrer, der bei diesem Rennen verstorben war. Was meinen Vater und auch sie total mitgenommen hatte.
Und dann...
Herbert, unser alter Nachbar, war gestorben.
Für mich „plötzlich“.
Obwohl... Hatte ich mich beim letzten Mal, als ich ihn beim Laufen sah, nicht gefragt, ob er nicht auch so ein Selbstmordkandidat wäre? So einsam und allein wie er war?
Traurig.
Und ich dachte, der Tod wäre nun fertig mit uns. Er fing unten beim dritten Haus an, arbeitete sich dann weiter zum zweiten und nun zum ersten. Alles in einem Zeitraum von einem Jahr. Jetzt hat er die Wahl: Abbiegen und die Straße rechts hoch wandern oder gerade aus, auf uns zu. Mir Sorgen um Mitzi machen. Die doch ständig nach mir fragen soll. Aber ich KANN einfach nicht mehr und frage mich jetzt schon, mit was für einer Schuld ich dann zurückbleiben werde. Einfach NUR, weil ich mich nicht überwinden kann. Als ob wir uns damals zerstritten hätten. Dabei hatte sie nur beleidigt gesagt: „Ach, lebst du AUCH noch?“, weil ich sie schon länger nicht mehr besucht hatte. Es ging mir gerade so schlecht, dass ich mir das: „Ich wünschte, dem wäre NICHT so.“, nur schwer verkneifen konnte. UND das war das letzte Mal, dass ich mit ihr gesprochen hatte. 2008 irgendwann. Und eben zuletzt hatte ich sie beim Hausarzt gesehen, wo sie mich nicht erkannte und ich sie im ersten Moment auch nicht. Weil sie nun dermaßen gebückt geht. Und schon war die Situation vorbei, sie zur Tür raus.
Mich schon mal prophylaktisch schlecht fühlen.

Ich habe das Gefühl, ich muss nun intensiv trainieren, um eine Besserung erreichen zu können. Mieke fragen, ob es für sie auch in Ordnung wäre, wenn ich nur noch zwei Tage in der Woche komme, aber dafür länger bleibe. Dass sie mir ja Mails schicken kann, fiel mir erst jetzt ein. Ich brauche die Vormittage, um trainieren zu können. Und das wird dann wohl schon alles sein, was ich die nächste Zeit tun werde.
Ich KANN nicht aufgeben.
Kann einfach nicht...

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25. Oktober 2011, Dienstag 5:20, Ein Licht...
60,2kg.
Kann man nun von einem „Erfolg“ sprechen? Dass ich nicht lache!!!
In meinem Traum war ich dermaßen depressiv, dass mein Bruder mit der Rettung kam und mich abholte. Um mich dann im Krankenhaus abzuliefern. Als blutleere Notfall. Die Ärzte wollten die Wunden sehen, doch da waren keine. Debatten darüber, ob sie mich in diesem Zustand wieder nach Hause schicken könnten. Wegen Suizidgefährdung und so weiter.
Sollte ich mir welche basteln?
Status quo: Kortison hin oder her -die Problematik in der linken Hand nimmt zu. Gestern unfähig, mich auch nur ein wenig am Kopf zu kratzen, abends dann spastische Verrenkungen der Finger. Wie befohlen mit dem Igelball herumhantieren. Ja- und nun? Welchen Effekt soll ich daraus ziehen?

Im Büro angekommen und in mein Fach gelinst, ein halber Herzinfarkt: Auf meiner Pappe stapelten sich Aufträge, Rechnungen und Texte, die es abzutippen oder auszubessern galt. Nun gut -ran an den Haufen! Pö a pö einen Zettel nach dem andren abarbeiten. Zwischendrin Mieke fragen, ob es in Ordnung wäre, wenn ich die nächste Zeit nur 2 Mal die Woche käme. Kein Problem. Das Training geht einfach vor.
Nach 3 Stunden war so gut wie alles erledigt, ein bisschen für heute musste ich mir ja auch noch aufheben.
„Gebraucht werden“: Erst fragte mich Angelika, die Chefin des Hauswirtschaftsbereiches, ob ich ihr etwas schreiben könnte und als ich ging, lief mir Josef, der Küchenchef, nach: „Bist du morgen da? Ich hab zwei Speisepläne!“.
Ja, klar.
Die Arbeitslage für heute gesichert. Und ich habe mich geirrt, Physio nicht heute sondern erst donnerstags.
Zum Hausarzt, mein Rezept holen. „Das hat deine Mutter schon mitgenommen. Sie war da, deinen Befund holen, für die Versicherung.“.
Ich zähneknirschend: „Meine Befunde gehen sie eigentlich nichts an. Bitte meine Neurobefunde nicht so einfach rausgeben. Da steht der psychiatrische Status drauf und DEN hat sie nicht zu lesen! Das muss nicht sein...“.
„In Ordnung. Nur wenn du anrufst und sagst, es ist in Ordnung.“.
Die Damen wirkten etwas zurückgestutzt. So böse war das gar nicht gemeint.
Hofer und Obst und Gemüse kaufen.
Billa und Vollkornbrot besorgen.
Krankenkasse und den neuen Schein für die Physio besorgen.
Nach Hause fahren.
Vor Herberts Haus lehnte am Eingang ein Fahrrad. War es seines? Und daneben auf der Treppe stand eine rote Friedhofskerze.
In Tränen ausbrechen. Und mich für den Rest des Tages nicht mehr beruhigen können. Tür und Tor geöffnet für meine Verlustängste. Und ich fand es so unendlich traurig, dass er das Fahrrad nun nicht mehr benutzen wird. Mein „Grundroblem“.
Mittagessen, Vollkornbrot. Währenddessen das Wohnzimmer auf den Kopf stellen, den Tisch umräumen, das Verlängerungsbrett am andren Ende anbringen, die Körbe mit den Malutensilien nun rechts unterm Tisch verstauen, den Wohnzimmertisch wegschieben und durch einen kleinen, braunen, fast hockerähnlichen ersetzen. Und SCHON sah das ganze nicht mehr so zugebombt und überladen aus und mein Tisch wirkte nun auch viel aufgeräumter und nicht mehr so störend. Malen und den Stuhl abschließen. Dann noch lauter Feinarbeiten machen, nach Fehlern und Makeln sondieren. Um 4 aufhören. Und darauf warten, dass Sebastian anruft. Doch es dauerte wieder einmal. Und ich? Ich warf die Glotze an und sah mir wieder einmal diese Tiersendung an. Und bei all den tierischen Schicksalsschlägen musste ich erneut an Herbert denken und heulte schon wieder.
Anruf erst nach 5.
Reinfahren.
In den Rückspiegel sehen -das Fahrrad war weg. Das Haus stand da nun -noch einsamer und verlassener, als sonst. Keine Hemden auf der Wäscheleine, die über den Hof gespannt ist. Die Balken verschlossen.
Mir kam eine Läuferin entgegen. Ich brummelte in meinen imaginären Damenbart: „Ich hoffe du weißt zu schätzen, was du da machen „darfst“...“. Und nun noch oben drauf die Angst, dass nun ENDGÜLTIG alles verloren ist...
Sebastian einsammeln und zu Penny. Er: „Was ist mit deinen Augen los?“.
Ich drehte mich um: „So was darfst du mich doch nicht auch noch fragen...“.
Wasser Marsch! Er sofort: „Och... Och nein..“, und nahm mich zwischen Gemüse und Süßkram in den Arm. Was das ganze noch verschlimmerte. Halb lachend mir die Tränen wegwischen. „Ach, es ist einfach so deprimierend...“. Einerseits peinlich, andrerseits war es mir egal. Ich erzählte von der Kerze und dass das eine schöne Geste war. Ein Grablicht in den Korb werfen, bezahlen und auf dem Heimweg kurz vor seinem Haus anhalten. Die Landschaft in Nebel gehüllt, noch deprimierender. Kein Wunder, dass Selbstmord in dieser Region ein beliebter Zeitvertreib ist. Zur Haustür humpeln, die Kerze neben die erste stellen und anzünden. So verwaist. Bis hier hin hatte ich es auch nie geschafft, war noch nie in seinem Innehof. Wieder in Tränen ausbrechen. Als ich ins Auto einstieg: „So zu seiner Beerdigung? Das könnte ich einfach nicht...“.
Meine Mutter war während wir einkaufen waren da und hatte die Teppiche mitgebracht, die ich haben wollte.
Kurz nach 6 -umziehen und aufs Laufband. Weglaufen. Gehen.
66 Minuten und 380kcal und 5km. Die Treppe hinunter torkeln, duschen, die neuen braunen Teppiche in Flur, Wohnzimmer und Küche verteilen, Abendessen, wieder Vollkornbrot, fernsehen und einschlafen.
Mehr nicht.
Vorm Supermarkt stand ein Regal mit Chrysanthemen. 1,95 Euro. Nicht lange zögern und mitnehmen. Nun kann ich den Blumentopf, wie bereits überlegt, auf den Tisch vor die Leinwand stellen und die Blumen als Vorlage nutzen.
Ich bin mit dem Bild zufrieden. Bis jetzt. Es wirkt in sich stimmig, harmonisch, ist irgendwie mal komplett anders. Mal sehen, WIE lange ich noch zufrieden sein werde.

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